Karma Yoga: wie Du im nächsten Leben sicher keine Ameise wirst
von Nancy Krüger in Philosophie

Was ist Karma-Yoga? Dieser Artikel zeigt Dir, wie Dir Karma-Yoga hilft bessere Entscheidungen im Leben zu treffen und räumt gleichzeitig auf mit vielen Missverständnissen rund um diesen zentralen Aspekt des Yoga.

Karma-Yoga ist der Yoga-Weg, der Deinen Geist durch selbstbestimmte Entscheidungen zur Ruhe bringt. Dabei geht es vor Allem darum, Deine Entscheidungskraft so zu kultivieren, dass Du im Einklang mit Dir selbst, vertrauensvoll durchs Leben gehen kannst.

Das "Karma-Konto" - ein alter Mythos

Um das Karma ranken sich viele Missverständnisse. Ein weit verbreiteter Mythos ist das „Karma-Konto“ auf dem Du Plus- und Minuspunkte sammelst. Er hält sich hartnäckig in den Köpfen, hat mit Karma-Yoga aber wenig zu tun.

Hingegen basiert Karma-Yoga auf zwei Säulen:

  1. Bewusste Entscheidungen: also Klarheit über das Motiv Deiner Handlung

  2. Ergebnisunabhängige Entscheidungen: also Selbsttreue als Ziel Deiner Handlung


Dieser Artikel zeigt dir anhand dieser zwei Säulen wie Du Dich durch komplexe und fordernde Entscheidungsmomente navigieren kannst. Zusätzlich bekommst Du am Ende einen praktischen Leitfaden mit Tipps zur Umsetzung von Karma-Yoga im Alltag. Also, lass uns beginnen:

Erste Säule des Karma-Yoga

Es geht hier darum, bewusste Entscheidungen zu treffen. Und eine bewusste Entscheidung triffst Du immer dann, wenn Du Dir über das dahinterliegende Motiv im Klaren bist.

Im Grunde triffst Du mit jeder Handlung, die Du ausführst, eine Entscheidung. Karma-Yoga zeigt Dir unbewusste Denkmuster, die Deine Entscheidungsfähigkeit und damit auch Deine Tatkraft bremsen können. Da, wo Dir Entscheidungen leicht fallen, hast Du üblicherweise kein Problem mit ihnen. Auch die große Auswahl im Supermarkt oder bei „Tinder“ raubt Dir selten den Schlaf. Knifflig wird es erst dann, wenn Du bei den bedeutenden Entscheidungen Deines Lebens aus lauter Unklarheit genauso gut eine Münze werfen könntest.

Unklarheit entsteht da, wo Du versäumt hast Deine eigenen Werte und Ziele klar zu definieren. Fragen, die Dir an diesem Punkt helfen können, sind zum Beispiel: Wofür stehst Du ein? Was ist Dir wichtig? Was musst Du erreicht haben, um irgendwann mal friedlich sterben zu können?

Die vier Absichten einer Handlung

Deine Ziele haben immer irgendetwas mit den folgenden vier direkten und indirekten Absichten für Handlungen zu tun:

  1. Sicherheit (materiell, sozial, körperlich)

  2. Anerkennung (geliebt und wertgeschätzt werden)

  3. Wohlbefinden (sich gut fühlen, angenehm)

  4. Innere Befreiung (Frieden, Ruhe, Gelassenheit)

Wenn wir hier weiter denken, wird es sogar noch einfacher. Denn beim Streben nach Sicherheit und Anerkennung handelt es sich gewissermaßen um indirekte Ziele. Insgeheim wünschst Du Dir dadurch Wohlbefinden und Befreiung. Das bedeutet:

Das Ziel jeder Handlung ist es sich gut und frei zu fühlen.
Was uns unterscheidet, ist der Weg den wir dorthin gehen.

So können auch Handlungen, die, von außen betrachtet, nicht zu Deinem eigenen Vorteil sind, dennoch ein gutes Gefühl herbeiführen. Denke hier an karitative Handlungen, also Handlungen, die anderen Menschen helfen. Es fühlt sich besser für Dich an, anderen Deine (vermeintlich selbstlose) Hilfe anzubieten, als die Hilfe zu unterlassen.

Es ist wichtig „das Streben nach einem guten Gefühl“ als Dein Handlungsmotiv und Dein Grundmuster des Denkens zu verstehen. Hast Du erkannt, was Dich antreibt, kannst Du Deine Handlungen besser steuern.

Das Streben nach Anerkennung als Entscheidungsbremse

„Was zählt, ist nicht, wie Du dich nennst, sondern ob Du Deinem Eigenwillen (Ego) entkommst.
Des Egos ledig, reißt Du Dich vom Karma los.“
(Bhagavad Gita: Kapitel 5, Vers 3)

Im unbewussten Zustand ist ein Großteil Deiner Handlungen unglücklicherweise auf Anerkennung ausgerichtet. Zur Schmeichelei deines Egos versuchst Du Erfolge zu erreichen und Misserfolge zu vermeiden. Eine vordergründige Feststellung der Upanishaden lautet:

Der Mensch ist in seinen Entscheidungen zumeist fremdbestimmt und zwanghaft an die Dinge der Welt gebunden. Durch Eltern, Schule und Ausbildung werden Deine Entscheidungen zu einem großen Teil fremdbestimmt. Erfährst Du Liebe nur wenn Du Erwartungen anderer erfüllst, besteht die Gefahr, dass Du verlernst Dich aufgrund Deiner selbst geliebt zu fühlen. Dann musst Du den Mangel an Selbstliebe durch vermeintlich gute Taten kompensieren. In dem Moment bewegst Du Dich weg vom guten Gefühl hin zum Hamsterrad.

„(…) für das zerfahrene, in tausend Richtungen gezerrte Denken finden die Entscheidungsmöglichkeiten, die es plagen, kein Ende, und sie erschöpfen die geistige Kraft des Betreffenden. Menschen mit unstetem Sinn scheitern letzten Endes zwangsläufig;
solche mit unerschütterlichem Sinn erzielen großen Erfolg“
(Bhagavad Gita: Kapitel 2, Vers 41)

Bewusste Entscheidungen triffst Du zusammenfassend also wenn:

  • Du Deine Werte und Ziele klar definiert hast

  • Du Dir bewusst machst, dass Du jede Handlung ausführst um Dich gut zu fühlen

  • Du Ego-Absichten wie Anerkennung identifizieren und loslassen kannst

 

Zweite Säule des Karma-Yoga

Hier geht es um ergebnisunabhängige Entscheidungen, also Handlungen, die einzig das Ziel verfolgen, sich selbst treu zu bleiben.

Als zweite Säule des Karma-Yoga lehrt die Bhagavad Gita keine Erwartungen an die eigenen Handlungen zu hegen. Im Alltag ist das häufig schwer vorstellbar. Da kommt es schnell zur Enttäuschung, wenn Du das Gefühl hast, Deine Investitionen in Partner, Kinder, Verwandte und Freunde zahlen sich nicht aus.

Wenn die Handlungen eines Menschen nicht auf dem Wunsch nach persönlicher Belohnung basieren, kann der Betreffende sein Denken müheloser beruhigen
und es auf (…) das wahre innere Selbst, ausrichten.
(Bhagavad Gita: Kapitel 2, Vers 41)

Hüte Dich vor Erwartungen und Gier

Bewusste Entscheidungen führen nie zu Leid. Wohlbefinden und Frieden kannst Du nur erleben, wenn Du Dich unabhängig vom Erfolg Deiner Handlungen machst. Du kannst selbstverständlich weiterhin ein bestimmtes Ziel anpeilen, aber wichtiger ist, die Art und Weise, wie Du Dich darauf zubewegst, als die tatsächliche Erreichung des Ziels.

Das ist ein bisschen wie beim Autostoppen. Dabei verfolgt man natürlich ein klares Ziel. Aber ob man es heute oder morgen, in einem Mercedes oder in einer alten Ente, auf direktem oder auf Umwegen erreicht, das liegt nicht in der Hand des Trampers. Wer dieses "Gesetz der Straße" beim Autostoppen akzeptiert, wird mit einem Gefühl von Freiheit belohnt. Wer hingegen mit der Erwartung zu einer bestimmten Zeit am Ziel sein zu wollen, der wird fluchend am Straßenrand stehen und nie verstehen, was so toll am Autostoppen sein soll.

Wenn Du Yoga machst, dann gibt es da sicherlich auch die ein oder andere Erwartung. Fit, gesund, schlank oder weniger gestresst zu sein, zum Beispiel. Das ist gut für Deinen Antrieb im Leben, sonst würdest Du morgens wahrscheinlich gar nicht mehr aufstehen wollen. Die Kunst ist es, die Wünsche von der Gier zu trennen. Das Loslassen der Gier und die damit verbundene Erwartungslosigkeit ist das, was Dich ruhiger werden lässt und zum guten Gefühl führt.

„Begierde nach den Früchten des eigenen Handelns bewirkt Besorgnis über möglichen Misserfolg.“ (Bhagavad Gita: Kapitel 2, Vers 47)

Deine Intention ist alles, was Du kontrollieren kannst. Ob sich Dein Ziel erfüllt und was Deine Handlung tatsächlich im Außen bewirkt, kannst Du gemäß der Yoga-Philosophie nicht steuern. Sobald Deine Intention mit Deinen Werten und Zielen (siehe 1.) übereinstimmt bist Du Dir selbst treu und dadurch mit Deinem Selbst verbunden. Egal wohin Deine Handlung also führt, kannst Du auf diese Weise in Dir ruhen und erlangst einen Zustand, indem Du keine Entscheidung mehr bereuen wirst.

Wohlbefinden und Frieden entsteht im Klartext also wie folgt:

  • Träume sind Dir wichtig und sie geben Dir ein Gefühl von Sinn im Leben.

  • Du haftest nicht an der Erfüllung Deiner Wünsche.

  • Du vertraust darauf, dass Deine Handlungen durch Deine Integrität nur positive Wirkungen nach sich ziehen können.

 

Karma-Yoga im Alltag leben

Hier sind abschließend meine 6 Tipps für Dich, wenn Dich das nächste Mal eine Entscheidung herausfordert:

  1. Finde Deine Absicht
    Mach Dir bewusst welcher der vier Hauptbereiche absichtsvoller Handlungen betroffen ist. Sicherheit, Anerkennung, Wohlbefinden oder innerer Frieden? Finde heraus wieviel Ich-Bezogenheit in Deiner Wahl liegt und wie Du sie reduzieren kannst.

  2. Verlier das Bauchgefühl nicht
    Was war Dein erster Impuls noch bevor der Strom von Gedanken dazu kam? Was wesentlich ist, kann Dir nur Dein Gefühl verraten. Der Geist steuert lediglich Erfahrungen dazu bei. Beides brauchst Du für gute Entscheidungen. Erkenne was jetzt grade in dieser Situation DEINE Aufgabe ist, statt Dich auf Nebenschauplätzen zu verlieren.

  3. Was kommt danach?
    Stell Dir vor, was nach deiner Entscheidung passiert.
    Mit welchen positiven/negativen Konsequenzen Deiner Handlung rechnest Du? Wie würdest Du handeln ohne diese Gedanken? Mit welcher Entscheidung wärst Du Dir selbst treu?

  4. Übernimm Verantwortung
    ...und stehe zu Deinen Entscheidungen. Deine eigenen Standards zu setzen und mit allen (auch „negativen“) Konsequenzen zu leben, fühlt sich meist besser an, als der Frust beim Befolgen der 08/15 Vorgaben von Anderen.

  5. Lache den Widerständen ins Gesicht
    Sofern von Deinen Entscheidungen andere Menschen betroffen sind, wirst Du immer irgendwo auf Widerstand stoßen. Mach Dir das bewusst bevor Du Widerständen begegnest. Das lässt Dich cooler mit ihnen umgehen.

    6. Lass die Entscheidung los
    Bereue eine Entscheidung nur, wenn Du Dir untreu warst. Handelst Du entsprechend Deinen Werten, fühlt sich das gut an. Nur wer sich selbst gegenüber nicht aufrichtig war beim Erforschen der eigenen Intention, kann eine getroffene Entscheidung bedauern.

Quintessenz:

Karma Yoga ist wie Bogenschießen.
Du peilst Dein Ziel an, aber wenn der Pfeil fliegt, dann lass ihn auch los.

Also erschaffe ruhig Deine Träume und versuche sie zu verwirklichen. Aber bedenke gleichzeitig: Kämen wir immer ans geplante Ziel, ginge den Träumen ihr Zauber verloren. Klingt alles ein bisschen zu romantisch? Bis hierhin ist das alles auch nur Theorie. Den ersten Schritt zu machen, kann Dir leider keiner abnehmen. Ob Du den Weg des Karma-Yoga bewusst ins Leben integriert hast, spürst Du, wenn Deine Entscheidungen der Vergangenheit Dich in der Gegenwart nur noch in Form eines wohligen Gefühls heimsuchen.

Alles Liebe,

Nancy

 

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Photocredit: Atlas Green

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Nancy Krüger

Nancy liebt Pünktchen, Zitronen, Tanzen und das Leben. Sie ist Autorin für praktische Yoga Philosophie, medizinisch ausgebildete Hatha Vinyasa Yogalehrerin und leitet eine renommierte Yoga Ausbildungsschule mit dem Schwerpunkt Persönlichkeitsentwicklung in Wien.

Mehr über Nancy findest du auf ihrer Website: https://www.yogalehrerausbildung.wien

Kommentare 

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Fritz

Liebe Nancy, vielen Dank für diesen klaren und erhellenden Beitrag und für die darin enthaltenen hilfreichen Anregungen zur Selbstreflektion. Du bist eine große Bereicherung für yogamehome, herzliche Grüße aus Wuppertal

Verfasst am 16.02.2018 um 09:52

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