Möbel aus Indien - immer ein fairer Deal?
von Melanie Beran in Menschen

Kristina Nicolaus und Navid Talebi verkaufen in Nürnberg handgefertigte Möbel aus Indien. Wir haben mit ihnen über den drohenden Ausverkauf indischen Kunsthandwerkes gesprochen, über Nachhaltigkeit, fairen Handel und ihre persönliche Firmenphilosophie.

In jedem Yogastudio und fast jedem Wohnzimmer stehen sie heute rum: Möbelstücke aus Indien. Seien es kleine Altare, Sideboards, Statuen von hinduistischen Göttern oder Buddhaköpfe. Wunderschön sind sie, strahlen sie doch diese bedächtige Ruhe aus. Sie verändern das Raumklima. Deshalb mögen wir wohl so gern. Doch wie werden sie eigentlich produziert? Werden indische Tempel geplündert, um mit dem reichen Westen ein Geschäft zu machen? Sind die Gegenstände wirklich alt und wer verdient daran? Kurz gefragt: Ist überall, wo ein Buddhakopf drauf ist, auch Mitgefühl drin?

Leider nein, so ist die ernüchternde Antwort. Wir wollten mehr über diese Thematik erfahren und haben mit zweien gesprochen, die sich in dem Bereich sehr gut auskennen und die sich für eine andere, faire Art des Handels einsetzen und ganz nebenbei für eine handwerklich einwandfreie Qualität von indischen Möbeln.

Der kleine Handeln in Nürnberg entstand, als Navid durch Indien reiste, zurückkehrte und auf der Stelle seinen Job kündigte. Er fuhr wieder nach Indien und tauchte jetzt endgültig in die Welt des indischen Kunsthandwerkes ein. Wenig später kam Kristina, seine heutige Lebens- und Geschäftspartnerin dazu und Samsara war ins Leben gerufen. Was damals mit einem Verkaufsraum in einer Garage in Nürnberg begann, ist inzwischen eine 18-Jährige Erfolgsgeschichte mit einem Möbelhandel, einem Yogastudio und Event-Zentrum.

1. Kristina und Navid, Ihr verkauft Möbel aus Indien - jedoch Möbel aus eigener Produktion? Wie geht das?

Navid: Die Produktion ist in Rajastan. Die Idee entstand vor 12-13 Jahren als Kunden mit Sonderwünschen auf uns zukamen. Da haben wir dann angefangen, ein kleines Team zusammenzustellen und selbst Ware zu produzieren. Der Schwerpunkt liegt darin, dass wir alte indische Baukunst kaufen. Alte Fenster, Säulen, Türen, auch Teile wie Türrahmen, Fensterrahmen, eben lauter Elemente aus alter indischer Baukunst. Wir kaufen, restaurieren sie und lassen sie zu verschiedenen Möbelstücken umbauen. Meistens designe ich die Sachen selbst oder in Zusammenarbeit mit den Kunden. Wir haben schon die ausgefallensten Sachen gebaut (lacht). Für die Kunden ist das sehr schön, weil sie mitgestalten, mitentscheiden und mitdesignen können.  Das hat für die Kunden einen ganz anderen Wert.

2. Und die Mitarbeiter kommen aus Indien? Wie habt Ihr die gefunden?

Navid: Richtig. Es sind Mitarbeiter von verschiedenen Firmen mit denen wir früher gearbeitet haben. Wir haben einfach mal ein paar davon gefragt, ob sie Lust dazu hätten, für uns und gleichzeitig selbständig auch für sich selbst zu arbeiten. Denn wenn wir wenige Aufträge haben oder zwischen den Zeiten, wo wir nichts produzieren, dürfen sie auch für sich oder andere Firmen arbeiten. Die Werkstatt steht, wir haben auch ein kleines Lager und das dürfen sie alles verwenden auch für andere Produktionen. Also sie sind nicht nur auf uns angewiesen. Teilweise sind sie auch aus den Dörfern in der Umgebung und wenn Erntezeit ist, dann gehen sie zwei Monate nachhause. In der Zeit ist es auch für uns schwierig, Aufträge anzunehmen und zu produzieren, aber darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Oder wenn Monsun ist, da läuft auch gar nichts (lacht). Es regnet sehr viel, es gibt sehr oft Stromausfälle – das sind Dinge mit denen wir immer rechnen. Deshalb wird aus einer Lieferung, die nach 4 oder 5 Monaten ankommen sollte, manchmal auch eine Lieferung, die 7 oder 8 Monate braucht. Wie jetzt der letzte Container, der kam einfach 3 Monate zu spät, aber damit müssen wir auch rechnen (lacht).

3. Flexibilität gehört also zum Tagesgeschäft?

Kristina: Absolut. Wer mit Indien arbeitet, weiß, dass es halt mal länger dauern kann oder Dinge einfach nicht perfekt sind. Es ist Handarbeit. Wir lieben Holz, wir lieben auch, wie es sich anfühlt und die Eigenschaften. Es ist aber dann halt oft so, dass es nicht wie aus Beton gegossen ist. Zum Glück!

Navid: Zum Glück! Wir haben jetzt über 18 Jahre einen Kundenstamm aufgebaut, der genau das liebt und wertzuschätzt. Worauf wir besonderen Wert legen ist, dass wir zu 100 Prozent aus massivem Holz produzieren – also es ist nirgends eine Spanplatte oder eine MDF-Platte versteckt. Auch Rückwände und alles, was wir für ein Möbelstück brauchen, werden komplett aus dem gleichen Holz gebaut. Es wird nirgends am Material gespart und wir legen von Anfang an Wert drauf, dass die Dinge nicht nur schön ausschauen, wenn man sie fotografiert – sondern auch, wenn man sie anfasst, umdreht und verwendet. Aus diesem Grund können wir auch mit dem Internethandel nicht mithalten. Im Internet werden Möbelstücke angeboten und gebaut, die aus ziemlich dünnem Holz produziert werden. Die Front schaut fantastisch aus, der Fotograf hat tolle Arbeit geleistet, es steht ein wunderbarer Text darunter, man stellt das ins Internet und verkauft das 20-30% billiger als ähnliche Möbel, die wir auch anbieten. Aber die Produzenten und Schreiner haben miserable Arbeit geleistet und wenn die Möbel dann zuhause eintreffen, sieht man den feinen Unterschied. Aus diesem Grund wehren wir uns auch seit Jahren dagegen, online unsere Möbel zu verkaufen.

Kristina: Was uns zusätzlich dazu wichtig ist, wir wollen nur in kleinen Betrieben einkaufen, wir wollen keine Massenproduktion, wir wollen das dort in Indien nicht unterstützen. Wir kennen diese großen Betriebe, wo die anderen großen Möbelhändler einkaufen. Wir wollen das nicht unterstützen. Das sind miserable Zustände für die Schreiner, die in unseren Augen auch Künstler sind und denen man auch die Möglichkeit geben muss, ihre Fähigkeiten auszuleben. Das ist dort einfach nicht der Fall. Das ist in den meisten Fällen ein großer, reicher Inder und der Rest wird sehr schlecht behandelt und davon nehmen wir Abstand! Wir haben nur kleine Familienbetriebe, in denen wir einkaufen, und eben unsere eigenen Produktion.

 

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5. Also ethische Produktionsbedingungen sind Euch sehr wichtig?

Kristina: Ja sehr. Wir waren schon öfter an dem Punkt, an dem wir uns fragten: Soll das Geschäft wachsen? Soll ein Franchise draus werden? Soll es online gehen? Und die Produktionsbedingungen waren immer der Grund, der uns davon abgehalten hat. Weil dann hätten wir es dort vor Ort auch nicht mehr selbst schaffen können. Wir hätten es dann nicht mehr selbst kontrollieren können. Wir hätten Agenten gebraucht, die dort vor Ort für uns einkaufen. Und dann gibt man alles aus der Hand und man hat keine Ahnung mehr, was wirklich passiert.

6. Wie seht Ihr es, dass oft Menschen aus dem Westen in einen indischen Tempel marschieren und für wenig Geld, das in Indien aber unter Umständen ein Jahresgehalt ausmacht, wertvolle Originale aus dem Land holen? Und das in großer Anzahl?

Kristina: Wir sehen das sehr kritisch und unterstützen das auf keinen Fall. Was natürlich in Indien total sichtbar ist, ist, dass diese wertvollen alten Stücke einfach immer weniger werden und, dass sich das im Land auch total verändert. Wir beobachten auch, dass alte Stücke, die wir vor 10 Jahren gekauft haben, heute um ein vielfaches teurer sind. Was natürlich auch in Ordnung ist, denn es ist deren Kunst, die sie da verkaufen. Wo wir klar dagegen sind, sind zum Beispiel Dinge aus Tempeln. Dinge, die dort fest eingebaut sind, die da hingehören, die einfach ein Kulturgut sind -  solche Gegenstände sollten da auf jeden Fall bleiben und nicht entfernt werden. Dem stehen wir superkritisch gegenüber. Und was wir auch als unsere Verantwortung sehen, ist, dass wir dem Land nicht nur etwas nehmen, sondern dem auch etwas zurückgeben und deswegen ist es uns wichtig, dass die Schreiner vor Ort gute Bedingungen haben. Wir sind auch in den Familien und schauen, dass wir ein Stück weit immer etwas zurückgeben können und somit eine Balance finden.

Navid: Auch ist uns wichtig, dass das Holz, das wir verwenden, aus kontrolliertem Anbau ist - speziell für industrielle Zwecke produziert, aus Plantagen. Wir hatten vor kurzem eine Kontrolle des Zollamtes. Diese kommen leider nur alle 10 Jahre vor und dann trifft es eher so kleine Betriebe wie uns. Ich kenne einen Einkäufer von einem sehr großen Franchise-Unternehmen in Deutschland – der hat das belächelt. Der meinte „Wir kaufen ca. 1000 Container im Jahr“ - also wirklich viele. Zum Vergleich, wir kaufen ca. 2-3 Container im Jahr. Der meinte, sie wurden noch nie vom Zollamt kontrolliert. Das gibt mir schon zu denken. Das Zollamt nimmt so kleine Unternehmen wie uns genau unter die Lupe – wir mussten Zertifikate, Einfuhrerlaubnisse und Ausfuhrgenehmigungen vorweisen. Die haben unsere Waren zum Teil vier Wochen lang blockiert, bis sie wieder freigegeben wurde. Wir haben alles nachweisen können, alles kein Problem. Es hat nur Zeit gekostet. Aber die anderen importieren und produzieren in sehr großem Stil, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen werden. Keiner fragt, wo kommt das Holz her? Es gibt ja bestimmte Holzarten, die nicht mehr verwendet werden dürfen. Manche schon seit vielen Jahren, manchmal erst seit kurzem. Aber wenn das niemand kontrolliert.

7. Und wie sieht es bei Euch zuhause aus? Habt Ihr selbst nur indische Möbel?

Kristina: Wir haben eine schöne Mischung zuhause – aus schweren, schönen, mystischen, dazu aber auch modernen, leichten Möbeln. Das ist auch das, was wir empfehlen. Wir haben etwa im Wohnzimmer eine sehr moderne Couch, dazu aber einen ganz alten, schweren Esstisch mit Schnitzereien und Intarsien und ein altes Sideboard.

8. Bei Samsara gibt es aber nicht nur Möbel zu kaufen?

Kristina: Wir haben auch ein Yoga-Studio, in dem vor allem Yoga stattfindet, aber auch noch vieles mehr. Wir haben viele Events im Haus. Wir haben eine Küchenfläche, einen Essbereich, wo verschiedene Events angeboten werden. Eines unsere beliebten Events ist Yoga und Brunch – bei dem wir eine Yogastunde am Sonntag anbieten und danach eben einen großen Brunch. Yoga ist uns total wichtig. Wir bieten in der Woche viele Stile, viele Lehrer, viele Stunden an, um auch die Vielfalt zu zeigen. Aber auch der Gemeinschaftsaspekt ist uns sehr wichtig, wo sich Menschen vor und nach der Stunde treffen, reden und auch einfach nur einen Tee trinken können.

Mehr über das Yoga-Studio, den Möbelhandel und das Event-Zentrum Samsara in Nürnberg erfahrt Ihr hier: Samsara

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Melanie Beran

Melanie Beran ist Mitarbeiterin der YogaMeHome-Redaktion und Ernährungsberaterin nach Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM). Wenn Du mehr über Ernährung nach TCM erfahren möchtest, schau mal auf ihrer Website vorbei: Seelenküche

 

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