Kommt Yoga aus Ägypten? Interview mit Kemetic Yoga Lehrerin Akosua Aset
von Elena Patzer (Redaktion) in Inspiration

Liegt der Ursprung von Yoga in Ägypten? Was unterscheidet Kemetic Yoga vom indischen Yoga? Und wie kann Yoga mehr Selbstliebe schenken? Darüber spreche ich mit der Yogalehrerin Akosua Aset.

Erst mal eine kurze Einführung: Was ist Kemetic Yoga?

Kemetic Yoga ist Yoga aus Kemet, dem alten Ägypten. Kemet bedeutet „schwarzes Land“, womit das fruchtbare Land im Nil-Tal gemeint ist, aber auch die Menschen und das Bewusstsein. Schwarz steht für Fülle und hohes Bewusstsein. Der ursprüngliche Name von Yoga in Kemet ist „Smai Tawi“, das genauso wie das Sanskrit-Wort „Yoga“ Vereinigung bedeutet.

Wenn Du genauso neugierig über die Wurzeln des Yoga bist und darüber, was ägyptisches Yoga ausmacht, lies gleich weiter.

Ich habe mit der Kemetic Yoga Lehrerin Akosua Aset aus Hamburg gesprochen. Sie war die erste, die Kemetic Yoga in Deutschland angeboten hat, und bietet heute auch Ausbildungen an. Sie gibt uns einen Einblick in die Welt des Smai Tawi.

Akosua, kommt Yoga eigentlich aus Ägypten?

Im Grunde ja. Die ersten Yoga-Aufzeichnungen wurden in den Tempeln in Ägypten bzw. im Nil-Tal gefunden. Diese Aufzeichnungen sind über 7000 Jahre alt - also älter als der Hinduismus. Daher kann man davon ausgehen, dass zumindest diese Art von Bewegung oder diese Posen älter sind als die hinduistische Kultur und als das Yoga in Indien.

Die Menschen aus der Nil-Gegend und aus dem östlichen Afrika sind viel gewandert, auch nach Indien. So haben sich die Kulturen vermischt und Yoga gelangte nach Indien. Auch sonst zeigen sie sehr viele Ähnlichkeiten. Auf einer Konferenz von Heilern aus Indien und Afrika durfte ich zuletzt erleben, wie viele Gemeinsamkeiten auch die jeweiligen traditionellen Heilmethoden haben.

Also ja, Yoga - oder Smai Tawi, so wird es eigentlich genannt – kommt tatsächlich aus Afrika. Aber Indien hat sehr viel dazu beigetragen zu dem, was heute alle als Yoga kennen. Vieles davon hat sich in Indien weiterentwickelt.

Was ist der Kern von Smai Tawi? Und wie unterscheidet es sich vom indischen Yoga?

Der Hauptunterschied ist, dass es im Smai Tawi viel weniger Posen gibt. Es werden genau die Bewegungen nachempfunden, von denen man sagt, dass die Götter sie eingenommen haben, um die Welt zu erschaffen.

Das Ziel ist, sich mit der eigenen Göttlichkeit zu verbinden.

Unser Ziel ist beim Smai Tawi, sich mit der eigenen Göttlichkeit zu verbinden. Sich zu erinnern, wer Du eigentlich bist, und die Elemente der Natur in Dir wiederzuentdecken. Es geht nicht darum, Gottheiten zu verehren, sondern darum, dass Du Dich selbst darin wiederfindest, dass Du Deine eigene Göttlichkeit wiederfindest.

Die Götter, die wir in den Posen verkörpern, haben alle eine bestimmte Persönlichkeit oder eine bestimmte Kraft und diese kannst Du ganz gezielt in Dir wiederentdecken oder entfachen. Darum geht es hauptsächlich im Smai Tawi, um Deine eigene Göttlichkeit.

Video: Kurze Einführung in Smai Tawi von Akosua Aset

Was ist die zugrunde liegende Philosophie?

Es dreht sich alles um den „Asarian Myth“. Asar ist der ursprüngliche Name von Osiris. Die Mythologie um ihn und sein Leben, das ist die zentrale Geschichte im Kemetic Yoga. Diese wird mit den Yoga-Posen als auch mit dem Kemetic Lifestyle, also dem Lebenswandel, nachempfunden.

Im Kemetic Yoga wird die Mythologie um Asar (Osiris) nachempfunden.

Im Asarian Myth geht es darum, dass er als Gottheit mit seiner Frau Aset (Isis) in Ägypten gelebt hat. Sein böser Bruder Set war so eifersüchtig auf ihn, dass er ihn umgebracht, in 12 Teile geschnitten und auf der Welt verteilt hat. Seine Frau Aset hat die 12 Teile wiedergefunden und durch die Magie, die sie in sich trägt, wieder zusammen gebracht und geheilt. Danach haben sie ihren Sohn auf die Welt gebracht: Heru (Horus). Der hat seinen Vater gerächt, indem er seinen Onkel bekämpft und gegen ihn gewonnen hat.

Das ist die grobe Zusammenfassung, da gibt es natürlich noch viel mehr Details und Geschichten. Zum Beispiel über das Leben von Aset als alleinerziehende Mutter, von Asars Leben als Geist, der seine Familie beschützt, oder von vielen anderen Gottheiten.

Und diese möchte man verkörpern?

Genau, letztendlich ist es die Geschichte des eigenen Lebens. Also jeder, der die Geschichte im Detail hört, findet sich darin wieder. Und normalerweise verbindet man sich mit irgendeiner der Figuren, die da auftauchen.

Als ich die Geschichte gehört habe, habe ich mich sofort mit Aset - deswegen nenne ich mich Akosua Aset - identifizieren können und dadurch ist sie quasi die Gottheit, die mein Leben führt.

Jeder findet sich in der Geschichte wieder und verbindet sich mit einer der Gottheiten.

In dem in dem System, das ich unterrichte, das aus 26 Punkten und 5 Phasen besteht, ist das Ziel am Ende, dass Dein höheres Selbst - also die Gottheit, mit der Du Dich identifizierst - die Führung in Deinem Leben übernimmt.

Was sind diese 5 Phasen, die Du unterrichtest?

Die 5 Phasen sind die Phasen der Entstehung der Welt. Also von der Zeit vor der Schöpfung, dann die Schöpfungsphase und dann die verschiedenen Phasen innerhalb der Schöpfung. Wo Himmel von Erde getrennt wird, der Wind entsteht, die Sonne geboren wird, die Erde kultiviert wird und die Tiere entstehen. Dann kommen wir in unsere göttliche Phase, wo wir unsere Göttlichkeit entdecken.

Am Ende etablieren wir uns in unserem höheren Selbst und erlauben ihm, die Führung zu übernehmen. Danach ruhen wir wieder – und dann geht alles wieder von vorn los. All diese Phasen durchlaufen wir in einer Unterrichtseinheit.

Wir erlauben unserem höheren Selbst, die Führung zu übernehmen.

Wie wurde Kemetic Yoga wiederentdeckt? Gab es eine bestimmte Person, die es verbreitet hat?

Das passierte in den 60er, 70er Jahren, als auch die Bürgerrechtsbewegung in Amerika aufkam. Da gab es viele Afro-Amerikaner, die sich sehr auf ihre afrikanischen Wurzeln bezogen haben und da näher nach forschen wollten. Ich glaube, bei denjenigen, die Yoga praktiziert haben, kam einfach das Bedürfnis auf zu wissen, was von den eigenen Vorfahren kam.

Da gab es unter anderem Yiser Ra Hotep, der mittlerweile über 60 ist und immer noch Yoga unterrichtet und ausbildet. Er ist bis heute einer der bekanntesten und erfolgreichsten, der Hunderte von Leuten ausgebildet hat. Er hat sehr dazu beigetragen, Kemetic Yoga in der Welt bekannt zu machen, vor allem in den USA.

Meine Lehrer sind Muata und Karen Ashby. Sie haben über 60 Bücher geschrieben, über altägyptische Kultur und die Verbindung zum restlichen Afrika. Darin gibt es unglaublich viele Details über die verschiedenen Gottheiten und nicht nur über Yoga, sondern über die gesamte Geschichte und die Kultur des Nil-Tals.

Gerade im amerikanischen Raum kommt immer mehr das Gespräch darüber auf, dass schwarze Menschen sich nicht willkommen fühlen in der Yoga-Kultur. Siehst Du das auch in Deutschland so und hast Du das Gefühl, dass Kemetic Yoga eine bessere Zugänglichkeit bietet?

Ja, auf jeden Fall. Ich muss sagen, ich hab tatsächlich in Deutschland nicht so furchtbar viel Yoga gemacht, bevor ich ausgebildet wurde. Die paar Male, die ich in einem Fitnesscenter Yoga mitgemacht habe, fand ich ganz cool. Da fühlte ich mich nicht nicht willkommen.

Aber ich habe viele Stories gehört, auch von vielen, die bei mir in den Kursen oder Workshops sind. Sie fühlen sich tatsächlich nicht wohl, wenn sie in einen Yoga-Kurs irgendwo im Yoga-Studio gehen.

Das hat natürlich viele verschiedene Komponenten. Ich glaube, ein Hauptgrund ist, dass die Vermarktung von Yoga wirklich sehr auf hübschen, jungen, schlanken Frauen basiert. Und wenn man nicht so aussieht, dann fühlt man sich fehl am Platz.

Wenn man nicht so aussieht, fühlt man sich fehl am Platz.

Wer kommt in Deine Kurse?

80 % meiner Schüler:innen sind schwarze Frauen. Es ist definitiv so, dass sich verschiedenste Menschen zu mir in den Kurs trauen, sich da wohler fühlen. Ich glaube, das liegt zum einen daran, dass das System sehr spirituell ist. Es bringt Dich wirklich dazu, tief in Dich hinein zu gehen. Vor allem, weil wir sehr viel mit der Atmung arbeiten. Es ist nicht besonders dynamisch oder athletisch, sondern ruhig und entspannt.

Deswegen finde ich auch total wichtig, dass es viel Diversität gibt! Jeder verbindet sich anders mit seinem Lehrer. Das kann alle möglichen Gründe haben, nicht nur die Hautfarbe, sondern auch die Stimme, den Unterrichtsstil usw. Und wenn man jemanden findet, mit dem man sich gut verbinden kann, das macht schon sehr viel aus.

Diversität ist wichtig! Jeder verbindet sich anders mit seinem Lehrer.

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Du arbeitest auch als Social Workerin. Hat Yoga da einen Einfluss auf Deine Arbeit?

Ja, ich möchte ganzheitlich arbeiten, also so mit verschiedenen Heil-Methoden und Yoga. Vor allem mit Frauen, die sonst nicht dazu kommen, Yoga zu machen. Ich arbeite zum Beispiel mit muslimischen Frauen oder Frauen mit Migrationshintergrund, die nicht so in ihrem Körper sind. Ich habe in Jamaika auch viel mit christlichen Frauen erlebt, dass sie sehr versuchen, eine gute, brave Frau zu sein - was auch immer das ist - aber dadurch eine große Distanz zu ihrem Körper haben. Da fehlt das Körpergefühl. Das Hindernis ist, dass viele denken, dass Yoga böse und dämonisch ist. Ich versuche dann, sie zu erreichen.

Es ist tägliche Arbeit, sich selbst zu sagen: Du bist gut. Ich liebe dich. Du bist wundervoll.

An welchen Themen arbeitest Du mit den Frauen?

Also mein Thema ist Selbstliebe. Das Yoga-System hilft uns dabei, unsere eigene Göttlichkeit zu entdecken - und das wirklich ganzheitlich. Nicht nur oberflächlich, indem wir unser Aussehen akzeptieren. Sondern indem wir alles, was wir sind, wertschätzen und lieben. Das ist in dieser Gesellschaft nicht einfach. Es ist tägliche Arbeit, sich selbst zu sagen: Du bist gut. Ich liebe dich. Du bist wundervoll.

Und ich denke, Yoga hilft dabei sehr! Weil Du wirklich im Moment bist, um ihn mit Dir zu verbringen, mit Deiner Atmung, und dabei nicht großartig über alle möglichen Sachen nachzudenken. Du lernst Deinen Körper besser kennen und wertschätzen. Das zu verbinden innerhalb meiner sozialen Arbeit und Ernährungsberatung, das ist mein Ziel.

Die Welt wäre ein anderer Ort, wenn jeder Mensch sich selbst akzeptieren und lieben würde, wie er ist.

Es geht darum, zu sich zurückzukommen und sich wieder wertzuschätzen.

Ja absolut! Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Planet, auf dem wir leben, ein anderer Ort wäre, wenn jeder Mensch sich selbst akzeptieren und lieben würde, wie er ist. Dann hätten wir viele Probleme nicht. Und ja, da kann man immer nur bei sich selbst anfangen.

Danke für das Interview, Akosua!

So kannst Du mit Akosua Aset praktizieren

Akosua bietet derzeit Online-Unterricht per Zoom an:

  • Samstags um 12 Uhr
  • Montags um 17 Uhr
  • Mittwochs um 19 Uhr bei black to yoga

Mehr Infos, aktuelle Stundenpläne und die Anmeldung findest Du auf ihrer Website.

Buch-Empfehlungen zu Kemetic Yoga

Dies sind die persönlichen Buch-Empfehlungen von Akosua, wenn Du mehr über Kemetic Yoga (Smai Tawi) erfahren möchtest:

  • Das Yoga der alten Ägypter – von Muata Ashby (deutsch)
  • African Religion: The Goddess – von Muata Ashby (erklärt die Mythologie näher)
  • Afrikan Yoga: A Practical Guide to Wellbeing Through Smai Posture, Breath and Meditation – von Pablo Imani (gibt einen Überblick)
  • Kemetic Diet – von Muata Ashby (über die Philosophie der Ernährung)

Mehr über Akosua

Akosua Aset ist jamaikanischer Herkunft und wurde 2012 in die heiligen Lehren des Smai Tawi initiiert. Sie ist ausgebildet in den Kemetic Systemen des Thef Sema Paut Neteru, Yoga Skillz und Hudu nach PIMAY. Hudu ist ein rhythmischer Tanz mit den Elementen, welcher unseren physischen mit unserem spirituellen Körper verbindet und in Harmonie und Balance mit der Natur bringt, um die eigene Manifestationskraft zu stärken. Mehrere Male die Woche gibt Akosua Online-Kurse, ist gemeinsam als Ausbilderin tätig und regelmäßig auf Workshops und Retreats live zu erleben. Mehr Infos auf Akosuas Website

 

Alle Bilder © Akosua Aset.

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Elena Patzer (Redaktion)

Elena füllt als Redaktionsleitung das bunte Leben von YogaMeHome. Sie ist Yogini mit ganzem Herzen und bereits seit 10 Jahren regelmäßig auf der Matte. Oft trifft man sie in Südost-Asien und der ganzen Welt, wo sie ihr Wissen über Yoga, Heilung und Spiritualität vertieft.

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