Leben im indischen Ashram
von Sarah Appelt
in
Inspiration
Wie lebt es sich in einem indischen Ashram? Welche spirituelle Praxis wird dort gelebt und ist es möglich dort einen Yoga-Urlaub zu verbringen? Unsere Indien-Expertin Sarah Appelt stellt Euch drei Yoga Ashrams vor
Ein Ashram ist eine Gemeinschaft aus Menschen, die zusammen leben und arbeiten und meistens eine spirituelle Praxis wie Yoga praktizieren. In Indien gibt es Yoga Ashrams wie Sand am Meer und alle unterscheiden sie sich voneinander.
Da gibt es Ashrams, in denen ausschließlich Karma Yoga, also Yoga des Handelns, oder Bhakti Yoga, Yoga des Herzens, praktiziert werden. Andere Ashrams sind eher Yoga Schulen mit strikter Routine, morgendlichen und abendlichen Hatha Yoga Stunden, Meditaionen und Zeremonien. Manche Ashrams haben starken westlichen Zulauf, bieten Kurse und Retreats an. In anderen wiederum findet man kaum ein westliches Gesicht und kommt mit Englisch nicht weit. Einige Ashrams sind sehr klein und die Bewohner sind wie eine Familie, in anderen leben über 1000 Menschen und sie sind über die nationalen Grenzen hinaus bekannt und haben sogar Ableger in andern Orten oder gar Ländern. In vielen Ashrams gibt es einen Guru, einen spirituellen Lehrer, der die Anhänger anführt.
Viele Yogapraktizierende entwickeln während ihrer persönlichen Yogareise den Wunsch, einmal nach Indien zu kommen, um in einer Ashram-Gemeinschaft und unter der Führung eines Gurus Yoga zu üben. Doch für welchen Ashram entscheidet man sich? In welche Art von Gemeinschaft passt man? Was verspricht man sich von dem Aufenthalt und wie findet man heraus, ob es sich um einen authentischen Ashram oder eher um ein cleveres Geschäftsmodell handelt?
Das richtige Ashram zu finden ist keine leichte Aufgabe, zumal am Ende auch hin und wieder Bedingungen von Seiten des Ashrams erfüllt werden müssen. Für manche Ashrame muss man sich drei Monate im Voraus anmelden, andere haben einen Mindestaufenthaltszeitraum und hin und wieder werden Vorqualifikationen, besonders bei Ausbildungskursen, verlangt.
Aufgrund meines siebenjährigen Aufenthalts in Indien und als Yogalehrerin interessiert an Yoga, spiritueller Praxis und Fortbildungen, durfte ich schon viele Ashrams kennenlernen und habe auch schon in einigen für mehrere Wochen und Monate gelebt. In manchen habe ich ein richtiges Zuhause gefunden. Zu einigen kehre ich immer wieder zurück, um mich mit neuer Energie aufzutanken, Ruhe zu finden oder unter einem Guru weiterzubilden.
Im Folgenden möchte ich drei ganz verschiedene Ashrams in Indien vorstellen, in denen ich für einige Zeit leben durfte. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren unterschiedlichen Standorten, Größen und Bewohnern, sondern vor allem in ihren Angeboten für Gäste.
Meine drei Lieblings-Ashrams in Indien
- Rajasthan
Bei dem ersten Ashram handelt es sich um eine kleine indische Gemeinschaft mitten in Rajasthan die von einem Guru spirituell geleitet wird. Der Ashram ist noch weitestgehend unbekannt, sodass man während eines Aufenthalts oft der einzige ausländische Besucher ist. Neben Hatha Yoga Stunden wird hier vorallem die Praxis des Karma und Bhakti Yoga praktiziert. Die Gemeinschaft gehört einer abgesplitterten Anhängerschaft des Hinduismus an und verfügt über eigene Rituale mit ganz besonderen Tänzen und Gesängen. - Rishikesh
Das zweite Ashram ist eine Einrichtung in Rishikesh, die hauptsächlich westlichen Schülern die Möglichkeit gibt ein geregeltes Yogi-Leben in einem Ashram zu erleben und durch die sehr guten Kurse und Lehrgänge fundierte Ausbildungen im Yoga zu erhalten. Rishikesh selbst gilt als die indische Yoga- Hochburg mit vielen Angeboten in Yoga, Ayurveda und anderen spirituellen Richtungen. Es ist touristisch sehr gut erschlossen. - Orissa
Das dritte Ashram, von dem ich kurz berichten möchte. Liegt im ländlichen Orissa, mitten in einer indischen Stammesregion. Hier geht es weniger um die eigene Yoga Praxis, als vielmehr um das Leben in einer Gemeinschaft in der man zusammen Gutes tut indem man sich ehrenamtlich in der dazugehörigen Augenklinik oder in Bildungsprogrammen beteiligt.
1. Shri Jasnath Ashram in Rajasthan
Faktencheck
- Lage des Ashrams: Ein Ashram mitten in der rajasthanischen Wüste
- Name: Sri Jasnath Ashram
- Ort: Panchla Siddh, Rajasthan
- Yoga: Hatha Yoga, Karma Yoga Bhakti, traditionelles Yoga
- Geeignet für: Retreats, eigenes Yoga Studium, Ausbildungen
Was Dich im Shri Jasnath Ashram erwartet
Eine zweistündige Fahrt auf den schnurgeraden Straßen durch die Wüste Thar von Jodhpur aus führt einen in das kleine verschlafene Örtchen Panchla Siddh. Hier leben nur ein paar hundert Menschen. Sie alle sind Bauern und bewirtschaften ihre kleinen trockenen Äcker in müheseliger Handarbeit, bauen Gemüse und Hirse an, sowohl zum Verkauf, als auch für den eigenen Bedarf. Am Rande des Dorfes gibt es eine kleine Burg mit einem großen Tor, das für jedermann geöffnet steht. Einzig ein alter Mann mit Turban sitzt auf einem wackeligen Stuhl und bewacht den Eingang vor unerwünschten Kühen mit einem Stock. Betritt man die fünfhundert Jahre alten Stadtmauern, wähnt man sich wie an einem anderen Ort. Während es im Dorf staubig, etwas schmuddelig und laut ist, überkommt einem im Inneren plötzlich eine friedliche Stille. Es gibt grüne gepflegte Grasflächen, einen kleinen Tempel und eine Handvoll Menschen, die alle ganz besonnen ihrer Arbeit nachgehen. Der Priester sitzt am Tempel und segnet Besucher, während der Guru auf einem Stuhl im Schatten eines Baumes eine Schaar Pilger begrüßt. Eine ältere Frau mit einem leuchtend blauen Gewand fegt sacht den Staub von dem Weg und Ranu, der Gärtner, pflückt die Okraschoten für das Mittagessen. Früh am Morgen bei Sonnenaufgang wird auf dem Dach der Yogahalle Yoga Unterrichtet, denn später ist es hier mitten in der Wüste Tharr zu heiß.
Jetzt, gegen Mittag, freuen sich alle auf die gemeinsame Mahlzeit die frisch vom Koch Papu und seinen freiwilligen Helfern zubereitet wird. Fast alle Zutaten stammen aus dem Ashram Garten. Nach dem Mittagessen ist es Zeit für ein kleines Nickerchen. Erst am Nachmittag, wenn die Sonne etwas tiefer steht, kommen die Ashrambewohner wieder aus ihren Schlafunterkünften hervor um einen starken Milchtee zu trinken und wieder zurück an die Arbeit zu gehen. Auch die Dorfkinder kommen nun von der Schule und eröffnen neben dem Ashramgelände ein Kricketspiel. Es gibt nur wenige westliche Besucher hier, hin und wieder kommt eine Gruppe oder vereinzelte Gäste für ein Yoga Retreat. Dann wird auch am Nachmittag eine Yoga Stunde angeboten. Oft engagieren sich die Besucher ehrenamtlich neben ihrer eigenen Yoga Praxis und unterrichten die Kinder und Ashrambewohner in Englisch, spielen mit ihnen Kricket oder helfen im Garten oder in der Küche. Auch gibt es eine kleine Ayurveda Oase in der man sich von geübten Händen mit Kokosnussöl verwöhnen lassen kann.
Nach dem Abendessen zum Sonnenuntergang kommen die Ashrambewohner im Tempel zusammen um die Feuerzeremonie mit Gebeten und Gesängen zu begehen. Anschließend gibt es die Möglichkeit eines Satsang (spirituelle Zusammenkunft) mit dem Guru. Hier dürfen Fragen gestellt werden oder man lauscht einfach nur den Erzählungen, während man auf einer Decke unter dem prachtvollen Sternenhimmel mitten in der indischen Wüste sitzt.
2. Anand Prakash Ashram in Rishikesh
Faktencheck:
- Lage: am heiligen Fluss Ganges in Rishikesh
- Name: Anand Prakash Ashram
- Ort: Rishikesh
- Yoga: alle Aspekte des Yoga werden zu einer ganzheitlichen Yoga Praxis kombiniert (Akhanda Yoga)
- Geeignet für: kennen lernen eines geregelten Ashramalltags, intensivieren einer regelmäßige Yoga Praxis, Yoga Lehrer Ausbildungen, Retreats, Lehrgänge
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Was Dich im Anand Prakash Ashram erwartet
Meine letzte Yoga Lehrer Ausbildung absolvierte ich in einem kleinen Ashram in Rishikesh, der Yoga-Hauptstadt schlechthin. Hier gibt es einen Yoga Ashram neben den anderen, alle bieten sie Yoga Retreats, Yoga Lehrerausbildungen und Ashram-Aufenthalte an. Viele von Ihnen beherbergen ausschließlich westliche Gäste und nehmen stolze Preise für ihre Angebote. Auch in Indien ist Yoga mittlerweile zu einem Geschäft geworden und gerade in Rishikesh muss man aufpassen, keinem Betrüger aufzusitzen. Daneben gibt es jedoch auch einige sehr gute Yogaschulen mit erstklassiger Qualität. Ein solcher Ort ist das Anand Prakash Yoga Ashram. Der Guru Vishvketu und seine kanadische Frau Chetana haben einen hervorragenden Ort geschaffen, um ganz authentisch in einem Ashram das regelmäßige und bewusste Leben eines Yogis zu leben- sei es für ein paar Tage oder ein paar Wochen. Die morgendliche Mediation um 5 Uhr wird von einer hervorragenden und ganzheitlichen Yogastunde mit dem Guru selbst abgelöst. Anschließend treffen sich alle Ashrambewohner zur halbstündigen täglichen Feuerzeremonie.
Erst dann gibt es ein gesundes und sattvisches (energiereich, leicht, vegetarisch) Frühstück im Speisesaal. Bis nach der Mahlzeit herrscht Maun, also Schweigen. Falls man sich zu einem Lehrgang eingebucht hat, folgt nun bis zum Mittagessen Theorie- und Praxisunterricht, ansonsten hat man Freizeit, kann entlang des Ganges spazieren oder gemütlich in einem der vielen Cafés ein Buch aus der Ashrambibliothek studieren. Oder wie wäre es mit einer Massage? Nach dem Mittagessen folgen wieder Kurse oder Freizeit mit anschließender Yogastunde vor dem Abendessen. Es wird Akhanda Yoga Unterrichtet, eine Yoga-Richtung, die alle Aspekte des Yoga in sich vereint, also Asana, Pranayama, Mediation, Mantra, Entspannung und auch Yoga Philosophie. Am Abend trifft sich die Gemeinschaft zum gemeinsamen Kirtan Singen oder Satsang. Ab 21 Uhr herrscht wieder Stille und einer jeder geht auf sein Zimmer, um mit neuer Energie in den nächsten Tag zu starten.
3. Mahatma Gandi Eye Hospital in Orissa
Faktencheck:
- Lage: Eine Gemeinschaft, die Gutes tut
- Name: Mahatma Gandi Eye Hospital
- Ort: Orissa
- Yoga: Karma Yoga, eigene Hatha Yoga Praxis möglich
- Geeignet für: Ehrenamtliche Arbeit, leben in einer indischen Gemeinschaft, kennenlernen des einfachen ländlichen indischen Lebens
Was Dich im Mahatma Gandhi Eye Hospital erwartet
Für zwei Wochen habe ich mitten im abgelegensten Teil Indiens im dörflichen Orissa in einem Ashram gelebt. Hier, im Westen Indien, leben noch viele Stammesvölker unter sehr einfachen Verhältnissen. Die Infrastruktur ist ziemlich schlecht, vor allem was die Bildung und medizinische Versorgung angeht. So wird in diesem Ashram nicht das übliche Hatha Yoga praktiziert, sondern Karma Yoga. Die kleine Gemeinschaft handelt wie eine kleine gemeinnützige Organisation, leitet eine Augenklinik zur kostenlosen Behandlung typischer Augenleiden, führt Umweltprogramme aus und gibt kostenlosen Nachhilfeunterricht. Für uns erscheint diese Ashramform unüblich, doch im Prinzip verrichten die Ashrambewohner nichts anderes als Karma-Yoga: uneigennützige Arbeit, bei der sie mit vollem Herzen dabei sind. Die Gemeinschaft lebt, isst und arbeitet zusammen. Freiwillige Helfer aus aller Welt sind immer gern gesehene Gäste
Wie sind Eure Erfahrungen mit indischen Ashrams?
Diese drei Beispiele geben nur einen kleinen Einblick, wie ein Aufenthalt in einem Ashram sein kann. Vielleicht seid ihr ja selbst auch schon einmal in einem indischen Ashram gewesen und könnt von euren Erfahrungen berichten? Ich freue mich darüber in den Kommentaren zu lesen.
Namaste und liebe Grüße aus Indien,
Sarah
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