Mit Yoga zu mehr Selbstliebe
von Rani Gindl
in
Praxis und Inspiration
Kannst du, liebe Leser*in dich selbst lieben? In diesem Artikel zeige ich dir, wie du mit den fünf Kleshas aus dem Yoga Sutra die wahre Selbstliebe lernen kannst.
"Ich bin doch wirklich…", „Das schaffe ich nie…“, "Ich werde es nie lernen!"…
Kennst du diese Sätze? Klingen sie dir vielleicht auch manchmal im Kopf nach und lassen dich an dir selbst zweifeln? Wer sich solche Sätze immer wieder selbst vorbetet, ist weit entfernt von der Selbstliebe.
Ich war voll von diesen Sätzen! Und es passiert mir immer noch, dass ich diese Stimme höre, besonders wenn mir etwas misslingt oder ich einen Fehler mache.
Doch mit meiner langjährigen Yogapraxis hat sich etwas gravierend verändert. Inzwischen höre ich sie zwar noch, bin mir aber sofort bewusst, dass diese Stimme nicht "echt" ist und was sie sagt, nicht wahr ist. Damit nehme ich ihr die Kraft. So wird sie langsam stiller, die Stimme in meinem Kopf - und ich glücklicher!
Ich bin befreit - und ist das nicht das Ziel im Yoga? Deshalb möchte ich dich hier gerne mitnehmen auf die Reise zu mehr Selbstliebe und Slebstaktzeptanz. Weiter unten kannst du eine genaue Anleitung lesen, wie dich die fünf Kleshas dort hinbringen. Aber zunächst mag ich dir nahebringen, wieso Yoga der beste Schlüssel für deine Selbstliebe ist.
Yoga als Geistesschulung zur Selbstliebe
Yoga ist einer der besten Wege, sich besser kennenzulernen und so auch und vor allem den Geist zu schulen. Die Yogamatte ist dafür einfach ein geniales Labor. Auf den zwei Quadratmetern Yogamatte verwandelt man sich für die Zeit der Praxis in einen anderen Menschen. Und was man hier lernt, nämlich Selbstliebe zum Beispiel, kann man Schritt für Schritt auch im Alltag umsetzen.
Der viel erprobte und ganzheitliche Weg des Yoga holt uns ab, wo wir jetzt gerade stehen und gibt uns den Rahmen, um uns unsere Handlungs- und Denkweise in einem sicheren Rahmen anzusehen. Das führt nicht nur zu einem besseren Körpergefühl, sondern katapultiert dich geradezu in ein weiches Kissen von Selbstliebe.
Alte Yogaweisheiten als Wegweiser
Patañjali und sein Leitfaden sind ein wichtiger Wegweiser dafür. Sie dienen den Yoga-Praktizierenden gestern wie heute und dabei geht es kein bisschen um die richtige Fußstellung beim Sonnengruß.
Wer die Yogasutren liest und sich mit ihnen beschäftigt, wird auf dem Weg unterstützt, sich selbst zu erkennen. Wirklich faszinierend, dass dieser Leitfaden nach all dieser Zeit noch immer seine Gültigkeit besitzt. Ich mag dir an dieser Stelle von Herzen empfehlen, dich tiefer mit den Yogasutren zu beschäftigen, denn sie werden dir in jeder Lebenslage eine gute Stütze sein.
Selbstliebe auf der Matte
Doch auch ohne Yoga-Philosophie sind die Körperübungen auf der Matte eine großartige Möglichkeit zu üben, netter zu sich und entspannter mit sich selbst zu sein.
Hast du schon einmal versucht die Augen in der Bergstellung geschlossen zu halten? Das fühlt sich oft echt wackelig an. Der Baum ist eine Herausforderung und Krieger-Varianten sind noch herausfordernder, besonders wenn im Krieger Drei auch noch ein Bein vom Boden abhebt. Die Arme schwingen, wir versuchen unsere Balance zu finden und wenn es uns gelingt, sind wir stolz! Wenn nicht, melden sich oft wieder diese Stimmen im Kopf und wir sind enttäuscht.
Genau das ist dieser Moment, in dem die Yogastunde für mich ihren Höhepunkt erreicht!
Den Körper zu trainieren ist verhältnismäßig einfach, den Geist davon abzuhalten, sich ständig zu bewegen, allerdings etwas ganz anderes. Weder stolz noch traurig soll man sein, empfiehlt die Yoga-Philosophie. Losgelöst, in Balance… nicht einfach für unser Ego! Yoga lehrt uns mit allem "ok" zu sein. So üben wir Selbstliebe und Selbstakzeptanz auf der Matte.
Nicht aufgeben und auch nicht zu hart zu sich selbst sein, sondern einfach zurück in die Position kommen und ausprobieren, wie es besser geht! DAS bringt uns weiter und vor allem bringt es uns Freude!
Die Yogasutren sagen:
संतोषादनुत्तमसुखलाभः
Samtoshâd anuttamah sukha-lâbhah
Durch Zufriedenheit erfahren wir größte Freude.
(Yoga Sutra II-42)
Seien wir also zufriedener mit uns selbst. Im Zeitalter der Selbstoptimierung, in der höher, schneller, weiter scheinbar etwas bringen soll, erfahren wir, dass uns Ruhe, Gelassenheit und Frieden viel besser tun. Das ist wahre Selbstliebe im Yoga.
Komm in Frieden mit deinem "Klesha”
Einen “Klescher” zu haben, bedeutet bei uns in Wien umgangssprachlich, eine seltsame Eigenschaft zu haben. Und ich bin inzwischen sicher, dass jeder Mensch eine besondere Eigenschaft hat. Und laut Yogasutren haben wir sogar fünf - und zwar Kleshas (kleśa). Das bedeutet "Hindernis" auf Sanskrit.
Wie helfen uns die Kleshas des Patanjali nun, um mit uns Selbst ins Reine zu kommen, ja uns sogar selbst lieben zu lernen?
Die fünf Kleshas und der Weg in die Selbstliebe
1. Avidya
So nennt man falsches Verstehen. Weil unsere Betrachtung immer subjektiv ist und auch nur subjektiv sein kann! Doch ich kann achtsam sein. Das empfehlen auch die Yogasutren.
Wenn dir bewusst wird, dass du etwas (über dich) denkst, stelle dir die Frage:" Ist das wahr?" Ich persönlich kann in 99,9% sicher sagen: Nein, ist es nicht. Warum? Weil wir uns immer eine Geschichte erzählen und weil wir daran glauben, dass es wahr ist, was wir denken – und fühlen. Unsere Wirklichkeit zu hinterfragen ist der Schlüssel zu einer neuen Betrachtung, einer neuen Einschätzung.
Ein Beispiel aus meinem Leben, das dir vielleicht auch bekannt vorkommt: Ich mache einen Fehler in meiner Mail-Aussendung. Das erste was mir einfällt, wenn es mir auffällt, ist mich zu schelten. Zum Beispiel: „Du bist ja wieder einmal soo schusselig!“ Ist das wahr? Nein. Es ist eine Geschichte, die ich mir erzähle. Denke ich wirklich in jedem Moment dass ich dumm oder schusselig bin? Nein. Vermutlich hab ich mir nur wieder einmal nicht die Zeit genommen, die ich gebraucht hätte.
Das zweite: Mir wird heiß – denn das bekommen jetzt viele Menschen und natürlich wird allen dieser Fehler auffallen und sie werden das gleiche über mich denken, wie ich es gerade getan habe. Stimmt das? Nein! Weil ein Teil der Menschen einfach darüber hinweg lesen wird, ein zweiter wird es sehen, aber nicht weiter darüber nachdenken, anderen Lesern wird es auffallen, aber sie werden sicher nicht die selben Gedanken haben, denn sie erzählen sich eine andere Geschichte, … verstehst du, was ich sagen will?
Wir sind unsere Gedanken. Wenn du deine Gedanken änderst, … wer weiß was da alles passieren kann!
Wenn ich Vidya – also Wissen, in mein Denken bringe, das außerhalb meines bisherigen „Denk-Kreises“ liegt, kann ich damit beginnen, mehr Selbstliebe und Selbstakzeptanz in mein Leben zu bringen.
2. Asmita
ist die falsche Selbsteinschätzung. Der Yoga sagt, dass unsere Welt eine Illusion (Maya) ist, und dass wir Teil des Göttlichen sind, unser Kern – die unsterbliche Seele. In der Welt aber, im täglichen Leben da kämpfen wir mit unserem Ego, weil wir glauben, das Ego zu sein. Die Gedanken und die Emotionen. Stell dir vor die Geschichte, die du dir täglich erzählst, ist traurig. Dann leidest du.
Das Ego ist, was wir denken zu sein oder sein zu müssen. Wir denken, wir sind, was die Welt sehen kann. Wir interpretieren, erzählen eine Geschichte, wir erleben uns in verschiedenen Rollen. Aber wer sind wir wirklich?
Ein Beispiel: Kommen wir in eine neue Umgebung, sehen uns die Menschen plötzlich anders. Das ist normal, denn ohne unsere bekannte Umgebung können andere unserer Eigenschaften in den Vordergrund treten. Asmita zeigt mir also, dass mein „ich“ etwas ist, das ich neu erfinden kann. Ist das dann real? Was ist dann unser Selbst? Der Yoga empfiehlt zu meditieren und die Schriften dazu zu verwenden, deine Gedanken zu hinterfragen, um auf diese Weise mit deinem Kern in Berührung zu kommen.
Was das mit Selbstliebe zu tun hat? Vielleicht magst du dir eine neue Geschichte erzählen? Eine, in der du Licht bist, eine in der du ein wunderbares, freies Wesen bist, das im Kern Liebe ist. Mit diesen Gedanken kommst du deinem wahren Selbst sicher näher und kannst dich langsam von allen anderen Geschichten lösen.
3.Raga
Das dritte Klesha hilft uns dabei zu wissen, was wir wirklich wollen. Wenn wir alle möglichen Dinge haben wollen, ständig im Außen sind mit unserer Wahrnehmung, entwickeln wir uns weg von der Zufriedenheit. Je mehr wir wollen, umso unglücklicher sind wir, weil wir so unser Zufriedensein davon abhängig machen, ob das Ergebnis mit unseren Wünschen übereinstimmt. Mehr zu haben bedeutet nicht automatisch, auch glücklicher zu sein.
Das beste Beispiel für mich: Der Koffer für den Urlaub - ich brauche immer weniger, als ich eingepackt habe und bin glücklich, einfach nur sein zu können. Oft schon habe ich festgestellt, dass es mich befreit, wenn ich mit weniger Gepäck unterwegs bin – emotional und materiell. Der Trick ist, sich zu lösen! Allerdings nicht nur davon, etwas Materielles haben zu wollen oder nicht, sondern auch immer wieder zu hinterfragen, ob das nicht-haben-wollen nicht auch etwas ist, woran wir hängen können. Los-Lösung ist für mich der Schlüssel zu diesem Klesha.
Selbstliebe ohne Firlefanz!
4.Dvesha
Das Nicht-Haben-Wollen! Dinge wollen macht uns nicht glücklich, aber wir können auch sehr unglücklich werden, wenn wir etwas in unserem Leben haben, das uns stört. Je mehr wir uns damit beschäftigen, umso schlimmer wird es.
Wo die Aufmerksamkeit hingeht, da geht auch die Energie hin. Wenn ich also z.B. mit etwas an meinem Körper nicht zufrieden bin, hilft es die ganze Aufmerksamkeit darauf zu lenken? Eher nicht. Ich lenke meine Aufmerksamkeit lieber auf die Dinge, die mir Freude machen - das hilft auch, mich selbst viel mehr zu akzeptieren und mich selbst zu lieben!
5. Avhinivesha
Das fünfte Klesha ist wohl das herausfordernste: Die Angst. Der Mensch kann recht leicht Angst haben. Unser Gehirn funktioniert hervorragend, wenn es darum geht Horror-Szenarien zu erstellen. Unsicherheit und ein zu kritischer Geist sind ein perfekter Nährboden für die Angst.
Laura Seiler meinte einmal, die Angst sei eigentlich unser Freund, denn sie wolle uns beschützen. Und ich mag diesen Gedanken! Denn auch hier ist Achtsamkeit wieder der Weg.
Zuerst akzeptiere ich, dass ich Angst habe. Dann geht es darum zu erkennen, wovor ich Angst habe und dann kann ich die Frage nach dem Warum stellen. So gebe ich mir die Möglichkeit, mich von der Angst zu lösen. Wie beim Kopfstand üben. Ich kann, muss aber nicht! Ich kann auch andere Asanas üben oder mir Hilfsmittel holen und so lange üben, bis es klappt! Eine für mich gesunde Art zu finden, wie ich mit Angst umgehe, ist ein Schlüssel zu mehr Selbstliebe.
Übrigens: Falls Angst und chronischer Stress ein Thema für dich sind, könnte dich dieses Yoga-Programm gegen Angst und Stress interessieren.
Ist es nicht faszinierend, wie einfach die Yogasutren diesen Weg beschrieben haben?
Dass er nicht immer leicht zu gehen ist, wissen wir, aber es geht darum, einfach einmal losgegangen zu sein und dann dran zu bleiben. Zu beobachten, was in mir vorgeht und zu schätzen, was ich bereits alles geleistet habe!
Yoga hat dafür nicht nur die Philosophie, - auch die Körperübungen, die Atemübungen und die Meditation sind allesamt ein perfekt dazu geeignetes Übungsfeld und Spielwiese, hin zu mehr Selbstakzeptanz und Selbstliebe!
Ich wünsche dir viel Erfüllung und Liebe auf deinem Weg in die Selbstliebe,
Pamela Rani Gindl
Rani Yoga
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