Pranayama - wie dein Atem neue Lebensenergie erweckt
von Melanie Beran
in
Praxis
YogaMeHome-Lehrerin Britta Kimpel praktiziert seit langer Zeit intensiv Pranayama. Anlässlich ihres Pranayama-Online-Programms haben wir im Interview darüber gesprochen, wie diese yogische Technik wirkt, wer Pranayama üben kann oder sollte und wie ihre Pranayama-Praxis sie selbst bereichert.
Liebe Britta,
erkläre doch bitte zunächst einmal:
Wie wirkt Pranayama?
Auf einer emotionalen Ebene hilft uns die Pranayama-Praxis Stress loszulassen und uns von Themen zu lösen, die wir vielleicht lange mitgeschleppt haben und die jetzt unser Energiesystem belasten (Gedanken, Erinnerungen, die sich als energetischer Abdruck gespeichert haben), Dadurch können wir emotional wieder ausgeglichen sein und fühlen uns klar und fokussiert.
Außerdem ist es eine super Praxis, um auf die Meditation vorzubereiten. Sie stärkt das Immunsystem, verbessert den Austausch von Sauerstoff und CO2, das bedeutet wir fühlen uns energetischer. Pranayama unterstützt zudem die Verdauung - zum einen über das Nervensystem, zum anderen auch über die beteiligten Muskeln. Kurz gesagt: Pranayama vitalisiert und harmonisiert uns.
Und was ist "Prana"?
Wenn wir Prana im Sanskrit-Wörterbuch nachschlagen, finden wir die Übersetzung „Hauch“ oder „Atem“. Gemeint ist damit im engsten Sinne wirklich die eingeatmete Luft, im weiteren Sinn bedeutet es jedoch „Lebenshauch“ oder „Lebensgeist“ und damit auch die „Lebensenergie“. Prana ist mit dem chinesischen Qi oder dem japanischen Ki vergleichbar.
In der Yogatradition unterscheiden wir fünf unterschiedliche Richtungen in die Prana in unserem Körper fließen kann bzw. in denen sich Prana in unserem Körper aufhält. Diese heißen Pancha Vayus oder Pancha Pranas:
- Apana Vayu – das Prana, das im Körper nach unten fließt und das für alle ausscheidenden Funktionen auf physiologischer Ebene zuständig ist.
- Prana Vayu – fließt im Körper nach oben, ist in der Herzgegend beheimatet und ist für alle aufnehmenden Funktionen zuständig.
- Samana Vayu – fließt von der Peripherie ins Zentrum und ist für Verdaungsprozesse verantwortlich (Magen-Darm-Bereich).
- Vyana Vayu – fließt vom Zentrum in die Peripherie und sorgt dafür, dass alles in unsere Zellen verteilt wird (Blutfluß etc...)
- Udana Vayu – fließt nach oben und außen und kommt in der Sprache und im Ausdruck zur Geltung.
Wie wirkt Pranayama auf unsere Lebensenergie?
Zunächst müssen wir unterscheiden, dass es im Pranayama unterschiedliche Traditionen gibt, wie es auch beid er Asana-Praxis unterschiedliche Stile gibt. Alle diese Traditionen haben etwas anderes im Fokus. Es gibt zum Beispiel Traditionen, wo Pranayama eher aus medizinischer Sicht angewendet wird – das findet man eher im Ayurveda. In der Hatha Yoga Tradition geht man davon aus, dass Pranayama vor allem im energetischen Körper arbeitet. Wir können uns das also so vorstellen, dass Asanas mit unserem physischen Körper, unseren Muskeln arbeiten und Pranayama wirkt auf unser Energiesystem - d.h. auf unsere Chakren und auf unsere Nadis. Wenn wir das auf unseren physischen Körper übertragen wollen, wäre das unser Nervensystem.
Es gibt unterschiedliche Pranayamas. Die einen beruhigen zum Beispiel unseren Geist, andere aktivieren oder stimulieren ihn. Wieder andere Pranayamas haben eine reinigende Wirkung. Pranayama wirkt also sehr unterschiedlich.
Generell kann man aber sagen, dass es im Pranayama darum geht, das Energiesystem zu harmonisieren indem es uns etwa von Abdrücken, die vergangene Erfahrungen oder Konditionierungen in uns hinterlassen haben, befreit.
Warum ist der Atem so wichtig?
Zum einen ist unser Atem mit der Sauerstoffaufnahme verbunden. Das heißt, je besser und vollständiger wir atmen, desto mehr Sauerstoff kann unser Körper aufnehmen und das wirkt sich auf unseren Energiehaushalt aus. Denn je mehr Sauerstoff im Blut ist, desto energetischer und wacher fühlen wir uns.
Es hat sich aber auch gezeigt, dass unterschiedliche Atemverhaltensweisen mit unterschiedlichen Aktivierungen entweder im symphatischen oder parasymphatischen Nervensystem einhergehen. Stellen wir uns mal uns Alltagsmenschen vor. Viele von uns verbringen die meiste Zeit sitzend vor dem Computer – und das meistens nicht mit einer aufrechten Sitzposition, sondern zusammengesunken und gekrümmt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine solche Sitzhaltung einerseits den Atem flacher werden lässt und andererseits stets die Rippen auf den Solarplexus drücken lässt. Beides zusammen bedingt, dass das sympathische (also Fight or Flight) Nervensystem aktiviert wird und wir damit ständig eine Stresshormonausschüttung bewirken, was zu Dauerstress im Körper führen kann.
Im Gegensatz dazu aktivieren wir unser parasympathisches (Rest and Digest) Nervensystem, wenn wir in eine tiefe Bauchatmung kommen und unseren Solarplexus-Bereich über eine aufrechte Sitzposition offen und weich lassen. So können wir auch den Stress reduzieren. Das heißt, der Atem hat über die Sauerstoffaufnahme zum einen eine Riesenwirkung auf unser energetisches Befinden und zum anderen über die direkte Beeinflussung unseres Nervensystems, ob parasympathisch oder sympathisch, auch auf alle physiologischen Prozesse, wie etwa Verdauung, Herzfrequenz oder Schlaf.
Wer kann oder sollte Pranayama praktizieren?
Pranayama ohne Atemanhalten können sicher alle praktizieren. Das bedeutet ein bewusstes Atemlenken, bewusstes Atemvertiefen und ein bewusstes Arbeiten mit den unterschiedlichen Atemräumen, aber eben nicht das ausgedehnte Anhalten des Atems (Kumbhaka). Außerdem gibt es verschiedene Kriyas, also Reinigungstechniken oder Pranayamas, die während der Schwangerschaft oder der Menstruation nicht gemacht werden dürfen. Das sage ich bei unserem Online-Programm auch bei allen Tutorials und Praxisvideos dazu und es ist wichtig, das einzuhalten. Wenn wir beginnen, Pranayamas mit Atemanhalten (Kumbhakas) zu praktizieren, sollte das nur unter direkter Anleitung und unter Anwesenheit eines geschulten Lehrers/einer geschulten Lehrerin gemacht werden. Deshalb haben wir diese Technik im Pranayama-Programm auf YogaMeHome auch bewusst ausgelassen.
Dennoch findest Du im Programm unter den Kriyas zwei Techniken, bei denen der Atem auch angehalten wird – und zwar in Uddiyana Bandha Kriya und in Agnisara. Für beide gilt: es geht nicht darum den Atem möglichst lange zu halten, sondern nur so lange, wie es sich angenehm und leicht anfühlt und der Atem danach trotzdem vollkommen ruhig weiterfliessen kann. Für Schwangere sind die beiden Kriyas ebenso tabu.
Hast Du Tipps für Anfänger?
Vorneweg: Es ist im Pranayama ganz wichtig, dass wir nie in eine Stressreaktion kommen. Das heißt, unser Atem sollte sich immer leicht anfühlen, wir sollten uns immer geerdet fühlen während der Praxis - also nicht übertreiben und auf die Symptome des Körpers hören. Es kann sein, dass einem mal etwas schwindelig oder auch etwas schlecht wird. Dann ist es besser, einen Schritt zurückzugehen und nochmal eine Stufe runterzuschalten, als es zu übertreiben. Eben weil wir im Nervensystem arbeiten.
Die ersten Schritte für Yoga-Anfänger sind das bewusste Wahrnehmen der Atmung und dann einfach mal zu versuchen, bewusst in unterschiedliche Atemräume hinein zu atmen. Wie spüre ich meinen Atem? Wie tief ist mein Atem? Atme ich länger ein als ich ausatme oder umgekehrt? Atme ich eher in den Bauch, in den Brustkorb oder ganz flach in die Schlüsselbeine? Für Anfänger ist es auch oft gut geeignet, im Liegen anzufangen. Allerdings macht es dabei Sinn, die Füße aufgestellt zu lassen, weil sonst die Gefahr besteht, einzuschlafen. Das Pranayama-Programm bietet die perfekte Gelegenheit mit Pranayama zu beginnen oder auch wieder einzusteigen und seine Pranayama-Praxis zu vertiefen.
Wann beginnen die Pranayama-Übungen zu wirken?
Das wichtigste ist meiner Meinung nach zu berücksichtigen, dass Pranayama braucht, bis sich eine Wirkung entfaltet. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum viele Leute nicht lang genug dran bleiben. Wenn wir anfangen, Asanas zu praktizieren, sehen wir relativ schnell einen Zuwachs an Flexibilität und Beweglichkeit, vielleicht auch einen Zuwachs an Kraft. So können wir relativ unmittelbar Effekte sehen und bleiben motiviert dran. Im Pranayama ist das anders.
Im Pranayama kann es sein, dass wir zuerst Monate lang üben müssen, bevor wir anfangen, die erste Wirkung zu spüren. Ein Lehrer von mir hat das so beschrieben: Wenn ich einen Samen in die Erde setze, also anfange Pranayama zu praktizieren, und ihn dann drei Tage gieße, kann ich noch nicht erwarten, Äpfel zu ernten. Es braucht einige Ausdauer und liebevolle Pflege dieses Samens, damit der Baum wachsen kann. Ich gieße den Samen, dann sehe ich den ersten Spross und ich pflege diesen über mehrere Jahre und irgendwann kann ich eine reiche Ernte einfahren. Das zu wissen, ist sehr wichtig für die Haltung mit der wir unsere Pranayama-Praxis beginnen.
Wir wissen, es hat einen Einfluss auf das Nervensystem, darauf wie wir uns energetisch fühlen, und es hat auch einen Einfluss darauf, wie wir mit emotionalen Themen umgehen. Und trotzdem spüren wir die Wirkung nicht unmittelbar, wir müssen eine Weile dranbleiben. Wenn wir das aber machen, erwartet uns ein energetisches Leben, ein klarer Kopf, eine gute Erdung, ein stärkeres Immunsystem (auch dadurch, dass wir weniger Stressempfinden haben) und es ist eine gute Vorbereitungspraxis auf die Meditation, weil es einfach den Geist beruhigt.
Was können wir von Deinem Pranayama-Programm erwarten?
Im Video-Programm beschäftigen wir uns mit Pranayama von der Pike auf. Wir lernen die unterschiedlichen Kriyas, Pranayamas und Atemtechniken. Nach und nach werden wir diese in unterschiedlichen Kombinationen zu vollständigen Praxis-Videos vereinen, die wir für bestimmte Lebenssituationen nutzen können, etwa um uns zu beruhigen, zu aktivieren oder um Stress loszulassen.
Liebe Britta, vielen Dank für dieses Interview.
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