Yoga und Stille: 5 Übungen für Yogalehrer*innen
von Margit Alt
in
Inspiration
Stille ist für Yogalehrer*innen mehr als wichtig, um die innere Ausrichtung zu finden. Und die Stille im Yoga ist eines der größten Anliegen von ihren Schüler*innen. Aber sind Yogalehrer*innen eigentlich selbst Meister der Stille, so wie sie es ihren Schüler*innen lehren? Hier findest du fünf wichtige Yogaübungen für Yogalehrende, die innere Stille fördern.
Stille im Yoga ist etwas Wunderbares. Denn die meisten von uns sehnen sich nach Ruhe und Frieden, wenn uns der Alltagstrubel mit all seinen Eindrücken, Anstrengungen und Aufregungen wieder mal überrollt. Und wir als Yogalehrer*innen betonen im Unterricht immer wieder, wie wichtig der Rückzug nach innen ist. Die Essenz des Yoga ist ja schließlich uns in die Stille, in die Meditation zu führen und uns inneren Frieden zu schenken.
Warum ist Stille für Yogalehrer*innen so wichtig?
Als Yogalehrende sind wir nicht weniger als Licht und Inspiration für andere. Wir teilen etwas, das tiefe Bedeutung hat. Die indische Yogatradition ist tausende von Jahre alt, wir folgen unzähligen Generationen von Lehrerinnen und Lehrern. Deshalb sollten wir sehr achtsam damit umgehen.
Yoga und Stille zu unterrichten ist etwas Wundervolles. Es ist aber auch mitunter anstrengend und kräftezehrend. Als Yogalehrer*in hältst du Energie, du hältst den Raum für deine Schüler*innen, du bist präsent, in absoluter Resonanz mit dem, was sich in der Gruppe und bei jedem einzelnen Schüler*in zeigt.
Vielleicht kennst du das: Manchmal unterrichten wir deshalb schnell, nebenbei, reißen Klasse um Klasse runter, hetzen von Studio zu Studio… Und sind nach einiger Zeit zutiefst erschöpft, körperlich wie seelisch, obwohl wir doch eigentlich so einen entspannten Job haben. Allerspätestens, wenn du zum ersten Mal an diesem Punkt angekommen bist, eigentlich aber schon lange bevor du beginnst zu unterrichten, heißt es: Innehalten und in die Stille gehen.
Mach dir bewusst, dass deine eigene Yoga- und Meditationspraxis genau so viel Raum bekommen sollte wie die Zeit, die du unterrichtest. Wenn du also wöchentlich fünf Klassen á 1,5 Stunden anbietest, gehe mindestens siebeneinhalb Stunden auf deine eigene Matte und praktiziere für dich.
Was ist Stille und was genau geschieht dort?
Aber was geschieht eigentlich, wenn alles um uns herum leise wird und wir unseren inneren Raum betreten? Was bedeutet Stille im Yoga? Was erwartet uns in der Stille?
Im Rückzug nach Innen können wir uns selbst begegnen, hier wird Selbstgefühl möglich, hier können wir uns spüren, unsere Sinne werden schärfer. Das kann sehr heilsam und klärend sein. In der Stille kommen wir wieder in unsere Kraft und in unsere Ausrichtung. Manchmal jedoch geschieht erst einmal etwas anderes. Denn nicht alles, was sich in der Stille zeigt, ist berauschend und erhebend. Stille kann mitunter unangenehm, beklemmend und beängstigend und anstrengend sein – eben gerade, weil wir uns hier selbst begegnen. In der Bhagavad Gita heißt es:
„Yoga is tolerating the consequences of being yourself“. Also: "Yoga toleriert die Konsequenzen, du selbst zu sein". Das trifft es auf den Punkt. In der Meditation, im Yoga und in der Stille geht es nämlich auch darum, dass wir uns selbst aushalten, und das ist nicht immer so einfach. Und dennoch ist es unglaublich wichtig.
Für uns alle, aber insbesondere für uns Yogalehrer*innen, denn wir tragen eine besondere Verantwortung.
Deine innere Ausrichtung als Yogalehrer*in
Um in deiner Kraft zu bleiben und deinen energetischen Kurs zu halten, brauchst du eine echte innere Ausrichtung und einen klaren Fokus. Diese Grundhaltung ist deine Botschaft als Yogalehrer*in. Sie trägt dich, schützt dich vor Überforderung und macht dich authentisch.
Wichtige Fragen, die du dir als Yogalehrer*in stellen solltest:
Warum unterrichte ich Yoga?
Warum übe ich selbst Yoga?
Warum ist Yoga für mich etwas Wunderbares?
Was möchte ich in meinem Unterricht teilen, was möchte ich weitergeben?
Was macht mich als Yogalehrer*in aus?
Was macht mich in dieser Rolle einzigartig?
Was unterscheidet mich von anderen?
Welche Yogatradition entspricht mir am besten?
Wo finde ich meine Essenz?
Deine innere Ausrichtung als Yogalehrer*in ist wie ein Sankalpa, eine Intention, ein Versprechen. Meistens führen wir unsere Schüler*innen zu Beginn der Yogastunde in eine kurze Stille, um einen Fokus für die Yogapraxis zu finden. Die Intention für deinen Yogaunterricht sollte allerdings nicht nur für eine Klasse gelten. Sie ist deine Überschrift, deine „Marke“ und drückt deine tiefe persönliche Überzeugung aus.
Teile das, was dir wirklich entspricht, vergleiche dich nicht mit anderen Lehrer*innen, richte deinen eigenen Kompass aus, formuliere deine Vision. Dein Sankalpa als Yogalehrer*in findest du nicht in Büchern und nicht, indem du konzeptionell darüber nachdenkst. Du kannst es nur selbst erfühlen und erleben durch „innere Arbeit“ – und hier ist die Stille im Yoga ein unglaublich wichtiger Begleiter.
Hier stelle ich dir ein kleines Yoga Set vor, das dich dabei unterstützt, in die Stille zu finden. Es ist eine kurze, ruhige Praxis, die dir hilft, deinen inneren Raum zu erforschen und dich klar auszurichten.
Fünf Yoga-Übungen, um in die Stille zu kommen:
1. BRAHMARI – Der Bienenatem
Beginne im aufrechten Sitz und schließe deine Augen. Ziehe dich zurück in deinen inneren Raum und lass ausatmend jede körperliche Anspannung gehen. Integriere dann Brahmari, den honigsüßen Bienenatem, indem du mit dem ausatmen einen Summton kreierst. Lass das Summen aus dir heraus fließen, ohne es zu kontrollieren oder zu verändern.
Atme summend wirklich vollständig aus. Stelle dir vor, dass in deinem Inneren von der Kehle bis hinunter zum Becken eine Resonanz-Röhre verläuft und schicke dein Summen entlang dieser Soundröhre tief hinunter. Mit diesem beruhigenden Pranayama sinkst du Atemzug um Atemzug tiefer hinein in die Stille. Lass nach etwa acht Atemzügen das Summen immer leiser und feiner werden, bis es schließlich ganz verstummt. Spüre dann einen Moment nach.
Im folgenden Video zeigt dir Meditationslehrer Karl Semelka die Übung "das Summen".
2. BALASANA – Die Kindhaltung
Die Kindhaltung, Balasana, ist DIE Position für Rückzug und Ruhe. Sie umhüllt dich wie eine warme Decke und hält dich, wenn du dich verletzlich fühlst. Hier kannst du dich wunderbar über deinen Atem nach innen ausdehnen. In der kleinen Enge, die die Haltung bietet, darf sich der Atem vertiefen und mehr Raum bekommen.
Spüre, wie du mit jedem ausatmen tiefer in deine eigene Mitte sinkst und immer mehr loslässt. Finde eine innere Ausrichtung: Wenn Gedanken rasen und wirbeln, ankere deine Aufmerksamkeit am Kommen und Gehen deines Atems. Spüre die Geborgenheit und die tröstende Hülle, die dir die Kindhaltung bietet und erlaube, dass sich Stille in dir ausbreitet.
3. DER SCHWAN
Der Schwan ist eine intensiv hüftöffnende Haltung. In dieser Praxis übst du sie am besten in der Yin-Yoga-Variante, dem schlafenden Schwan. In dieser Haltung verschmelzen Loslassen und Hingabe miteinander, Festgehaltenes darf sich lösen, Neues darf entstehen. Diese Übung will Zeit. Übe hier ohne Muskelanstrengung, ohne Kraft und ohne Ambition. Verweile für 1-3 Minuten hier. Spüre immer wieder nach, an welcher Stelle du noch weicher und nachgiebiger werden magst. Lausche nach innen: Wo spürst du Widerstand? Welche Empfindungen sind da? Welche Impulse tauchen auf?
4. SUPTA BADDHA KONASANA - Der liegende Schmetterling
Der liegende Schmetterling ist eine Haltung, die deinem Herzen auf sehr sanfte Weise viel Raum schenkt. Du bekommst hier satte Erdung und bist über die Körperrückseite wunderbar getragen. Aus dieser Sicherheit kannst du die Öffnung deiner Vorderseite, insbesondere den Bereich der Hüften und dein Herz vertrauensvoll wagen. In dieser Haltung signalisierst du Offenheit und Empfänglichkeit für neue Impulse, für Visionen und Ideen. Verweile bis zu 5 Minuten darin.
Dein Mantra in Supta Baddha Konasana ist:
“Ich bin getragen und traue mich, mein Herz zu öffnen”.
Übrigens: Hier findest du ein Yin-Yoga-Video, in dem diese Asana, der liegende Schmetterling vorkommt.
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5. SHAVASANA – Die Totenstellung
Beende die Praxis in Shavasana. Lege dich auf den Rücken, die Beine etwa hüftbreit auseinander. Deine Arme liegen bequem neben dem Körper, die Handflächen zeigen nach oben. Kopf und Becken sind übereinander ausgerichtet. Schließe deine Augen und entspanne alles. Jeden Muskel, jeden Nerv, jede Sehne deines Körpers. Lass mit dem ausatmen mehr und mehr Anspannung von dir abfließen. Der Atem darf ohne Konzept in seinem natürlichen Rhythmus fließen. In der Stille verblassen alle Emotionen und Eindrücke.
Genieße diesen Zustand des SEINS ohne Ambition, ohne Absicht, ohne Wunsch. Vertraue darauf, dass hier im Nachklang der Yogapraxis alle Impulse, die du brauchst, ganz ohne dein Zutun von ganz alleine entstehen. Verweile bis zu 10 oder 15 Minuten darin.
Vielleicht möchtest du dich zu guter Letzt noch von ein paar Beispielen inspirieren lassen, wie ein Sankalpa für dich als Yogalehrer*in aussehen könnte?
Sankpalkas, die dir bei deiner Ausrichtung helfen:
- Gut verwurzelt in der Erde wachsen wir mit Leichtigkeit in den Himmel
- Yoga ist mein Weg in die Freiheit
- Mit Yoga komme ich zu körperlicher Gesundheit und Entspannung
- Durch Yoga kann ich die Energie anheben und in mein volles Potenzial kommen
- Ich möchte Yoga für Menschen in besonderen Lebenssituationen unterrichten (z.B. Yoga für psychisch Kranke, Yoga bei Essstörungen, Yoga für Menschen mit körperlichen Einschränkungen…)
So, ich hoffe, ich konnte dich inspirieren und wünsche ich dir viele wunderbare Erkenntnisse mit deinem Yoga und der Stille!
Margit Alt
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Kommentare
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Sabine
Liebe Margit, vielen Dank für deinen einfühlsamen Beitrag. Sabine
Verfasst am 25.02.2020 um 16:30