Göttin des Glücks: "Die Maßstäbe in der Textilindustrie waren für uns untragbar"
von Philipp (Redaktion)
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Heute wollen wir Euch unsere Freundinnen und Freunde von Göttin des Glücks vorstellen. Normalerweise machen wir ja keine Werbung, aber in diesem Fall ist es uns ein Anliegen.
Bei Göttin des Glücks werden die bunten und lebensfrohen Kleidungsstücke 100% Fairtrade und biologisch produziert. Bei den tragischen Bedingungen unter denen Näherinnen in Asien (wo die meisten unserer hier verkauften Kleidungsstücke produziert werden) arbeiten müssen, ist das eine wunderschöne Ausnahme. Wir haben uns darüber mit Lisa Muhr, der Gründerin von Göttin des Glücks, unterhalten.
Wie bist du dazu gekommen GDG zu gründen und gab es ein bestimmtes Erlebnis, das dich dazu bewegt hat, GDG fair und ökologisch aufzubauen?
Die Gründung der Göttin des Glücks war eigentlich gar nicht geplant. Dass wir damals bereits etwas gründeten, wurde uns vier Freunden erst viel später bewusst. 2005 hatten wir uns auf einer Messe kennengelernt, jeder war damals schon selbstständig, und wir hatten spontan und im Austausch über unser Schaffen miteinander sehr viel Spaß. Soviel, dass wir gerne auch zusammen arbeiten wollten. Danach hoben wir zu viert unsere gemeinsame Idee „Göttin des Glücks“ als Wohlfühlmode-Projekt aus der Taufe. Wir kauften einige Meter Stoff, nähten 60 Teile und bedruckten sie mit humorvollen, positiven Sprüchen und Grafiken. Zuerst zum Spaß, da wir aber von Anfang an auf großes Interesse stießen, haben wir weitergemacht. Mitte 2006 kamen wir zu dem Punkt, dass eine weitere Professionalisierung vonnöten ist, wir nun quasi „businessreif“ waren. Doch wollten wir nur unter Vorgabe unserer Wertvorstellungen weitermachen, die sich keineswegs mit den konventionellen Maßstäben der Textilindustrie decken. Diese waren für uns einfach untragbar und unvorstellbar. So entschlossen wir uns dazu, ein sozial und ökologisch faires Fashionlabel zu gründen. 2007 trauten wir uns so richtig, gründeten unsere Firma und „Göttin des Glücks“ wurde amtlich. Wir sprangen ins kalte Wasser, aber das ist ja bekanntlich sehr erfrischend!
Wie sieht der Arbeitstag einer/s Arbeiterin/s aus, die/der für GDG produziert, im Vergleich zu konventionellen Produzenten?
Bei unserem Kooperationspartner Craft Aid Mauritius haben die Beschäftigten geregelte Arbeitszeiten (8 Uhr Arbeitsbeginn, 17 Uhr Feierabend, dazwischen 3 Pausen). Diese werden sogar sehr strikt eingehalten: Eine Glocke in der Firma läutet die Pausen ein, ALLE Mitarbeiterinnen gehen raus in den Hof und haben wirklich Pause. Mittags ist diese länger, am Vormittag und Nachmittag machen sie Cafépause. Daher werden auch keine Überstunden gemacht, nur im Notfall – da sind die Regeln wirklich sehr strikt bei unserem Konfektionär. Jede einzelne Näherin wird in der Früh von zu Hause mit dem Firmenbus/Fahrer abgeholt und am Abend wieder heimgebracht. Einmal pro Woche kommt sogar ein Arzt in die Firma und jeder kann sich gratis untersuchen lassen. Die Näherinnen erhalten eineinhalb mal so viel Lohn wie der dortige Durchschnittslohn, zusätzlich dazu Pensions-, Urlaubs- und Krankengelder. „Fest“ und standfest gebaute Häuser (= gemauert statt aus Blech) mit Strom- und Wasseranschluss stehen zur Verfügung, und viele Dinge, die wie im Albtraum anmuten, aber Realität sind in der Textilindustrie, bleiben den Beschäftigten bei Craft Aid erspart: sie werden nicht eingesperrt in den Nähhallen, dürfen jederzeit auf die Toilette gehen, haben natürliches Licht in den Hallen, gute Belüftung, offene Fenster und es gibt Feuerlöscher, Beschwerdekästen, das Recht auf Gewerkschaftsbildung. Die Kinder der Beschäftigten gehen in die Schule und müssen nicht im Betrieb mitarbeiten uvm - all das ist das absolute Gegenteil und die Ausnahme von üblichen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche.
Was müsste aus deiner Sicht passieren, dass sich die Bedingungen für alle Arbeiter/innen in der Textilbranche verbessern?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten sich ändern: Es bräuchte einen „code of product“, sprich Regelungen, wie Produkte, die nach Europa importiert werden, beschaffen sein müssen. Es bräuchte die Verpflichtung, auf allen Produkten die Lieferkette und die Hersteller namentlich aufzulisten und es bräuchte eine „Zutatenliste“, was in den Produkten enthalten ist (wie bei Lebensmitteln). Wäre dies realisiert, könnten billigst und ausbeuterisch produzierte Produkte nicht mehr nach Europa. Firmen wären gezwungen, nachhaltiger zu produzieren. Die Preise würden sich relativieren und die Wegwerfgesellschaft würde sich verändern, weil sich das Kaufverhalten ändern würde. Zusätzlich bräuchte es eine andere Steuerbelastung: Arbeit und Recycling-Kreisläufe müssten ganz massiv entlastet und die Produktion auf Basis neuer Rohstoffe viel stärker steuerlich belastet werden. Dann würde sich Wegwerfgesellschaft in Reparaturgesellschaft verändern, die Wirtschaft würde sich weiter drehen, aber in die richtige Richtung. Für eine Zukunft, in der auch noch unsere Enkelkinder ein gesundes und lebenswertes Leben führen können.
Verzichtest du auf Marge, um fair produzieren zu können oder lässt sich darüber ein höherer Preis erzielen, der das wieder ausgleicht?
Wir verzichten auf Marge und müssen mit viel weniger Gewinn auskommen. Die Produktionskosten liegen ca. 3-4-mal so hoch wie herkömmlich, der Endverkaufspreis kann da nicht hochgerechnet werden, sondern ist weniger, weil das die KundInnen nicht zahlen würden. So bleibt uns weniger, mit dem wir auskommen müssen und daher haben wir z.B. kein großes Werbebudget und müssen insgesamt mit viel weniger wirtschaften. Das ist hart, zäh, und damit geht die Entwicklung viel langsamer und ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Aber wenn die Einstellung und Wertigkeit im Kopf so ist, dann kann man einfach nicht anders und dann tut man sich diesen mühevolleren Weg an. Wir sind überzeugt davon. Und es geht ja, wie man sieht, es geht halt nur viel langsamer … Slow Fashion eben.
Warum glaubst du ist die Textilbranche im Vergleich zum Food-Sektor (bio) noch immer so rückständig. Fehlt es hier an Bewusstsein?
Ganz sicher fehlt es an Bewusstsein! Die Leute wissen wenig über die Hintergründe, daher ist Reden, Berichten, Spürbarmachen über die grauenhaften Bedingungen, die oft nicht anders sind als zu Sklavenzeiten, ganz wichtig. Erst wenn die Kundinnen und Kunden mehr Einblick in die Materie bekommen, sind sie fähig zu handeln. Lebensmittel sind für Menschen das Heikelste, weil sie in unser Innerstes gelangen. Daher begann Bio bei den Lebensmitteln vor rund 40 Jahren. Dann kam die Kosmetik, jetzt ist die Mode, unsere zweite Haut, endlich dran.
Weitere Infos findet Ihr unter goettindesgluecks.
Einen Ausschnitt der Kollektion seht Ihr übrigens in folgenden beiden YMH-Videos mit Julie: Hour of Power.
Hour of Power
Fokus Vorbeugen
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DANKE an Göttin des Glücks, die mich und…
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