Yoga für queere Menschen - Marcus von RainbowsYoga im Interview
von Elena Patzer (Redaktion) in Menschen

Marcus Bauer bietet Yoga für die LGBTQ+ Community an. Was das bedeutet und warum Yoga für queere Menschen besonders wohltuend sein kann, erzählt er im Interview.

Es ist Pride Month! Jeden Juni feiert die Welt die bunte LGBTQ+ Community. Diesen Anlass möchten wir nutzen, um mehr über die queere Community im Yoga zu erfahren.

Dazu habe ich mich auf ein nettes Zoom-Gespräch mit Marcus getroffen. Er betreibt in Köln das RainbowsYoga Studio – speziell für die LGBTQ+ Community und ihre Allies, also Freunde bzw. Verbundene. Dort schafft er einen geschützten Raum für alle, um mit Gleichgesinnten Yoga zu üben.

„Was soll denn das heißen, Yoga für LGBTQ+ Community?“ Fragst Du Dich vielleicht. Dann lies gleich weiter und erfahre mehr im Interview mit Marcus.

Aber vorher noch ein Überblick: Was bedeuten diese Begriffe eigentlich?

Was bedeutet LGBTQ+ und queer?

LGBTQ+ steht als Abkürzung für die Begriffe lesbisch, schwul (gay auf  Englisch), bisexuell, transgender/transsexuell und queer. Das + steht stellvertretend für viele weitere Identitäten im Spektrum, z. B. pansexuell oder asexuell. LGBTQ+ wird als Sammelbegriff für all diese Geschlechteridentitäten verwendet.

Queer bedeutet wörtlich übersetzt „schräg“ oder „komisch“. Es beschreibt Menschen, die nicht heterosexuell und cis sind (also ein Leben lang das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht verkörpernd, im Gegensatz zu trans, non-binären oder genderfluiden Menschen).

Ein Safe Space für queere Menschen

Hallo Marcus, Du führst ein Yoga-Studio für die LGBTQ+ Community und beschreibst es als Safe Space, also geschützten Raum. Was bedeutet das?

Es ist einfach so, dass ich schwul bin und es von daher naheliegt, dass ich das anbiete. Es gibt einen Bedarf. Mir selbst ist zwar in Yoga-Kursen noch nie besondere Homophobie begegnet. Aber es ist offensichtlich so, dass viele queere Menschen – also schwule, lesbische etc. –Wert darauf legen, einen geschützten Raum zu haben, in dem sie sein dürfen, wer sie sind.

Ich glaube, das hat mit der Historie zu tun. Viele Menschen haben ja seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten von außen eingetrichtert bekommen: Du bist falsch, Dein Körper ist falsch, Dein Geist ist falsch. Dann haben die natürlich Probleme, das geht nicht spurlos an einem vorbei.

Deswegen wollen sie einen Raum, wo ganz klar ist: Du bist Du, das ist wunderbar und Du bist willkommen. Ich teile als Yogalehrer mein Mitgefühl, meine Liebe mit Dir.

Viele queere Menschen legen Wert darauf, einen geschützten Raum zu haben, in dem sie sein dürfen, wer sie sind.

Wie wirkt sich das auf Deinen Unterrichtsstil aus?

Ich habe relativ kleine Klassen, in denen es sehr freundschaftlich zugeht. Da kommt man rein und fühlt sich als Neuling nicht wie ein Außenseiter, sondern ist wirklich sehr herzlich willkommen.

Mir ist es wichtig, immer auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Dazu gehört, sich jede Person genau anzuschauen und individuelle Unterstützung zu geben, manchmal auch durch eine lenkende Berührung – da ist es immer wichtig, vorher zu erfahren, ob die Person berührt werden möchte.

Ich unterrichte mit viel Humor und sehr locker. Das heißt nicht, dass das Yoga locker ist – das muss auch immer ein bisschen fordernd sein. Aber es darf nicht in dieses allgegenwärtige Leistungsprinzip rutschen. Ich sage eher: Das Leben ist schon fordernd genug. Jetzt lasst mal los und ihr werdet merken, die Yoga-Haltung wird dadurch noch besser.

All das gibt ihnen ein Gefühl von Schutz, eben diesem Safe Space.

Das Leben ist schon fordernd genug. Jetzt lasst mal los.

Die Sache mit der Selbstliebe

Also geht es darum, Selbst-Akzeptanz und –Liebe zu fördern?

Genau! Oft ist es so, dass die Leute eher körperfeindlich sind, ihren Körper vielleicht als fremd wahrnehmen. Das wird ja auch in gewissen Religionen so vermittelt, das "sündige Fleisch".

Und da ist es eben gut, die Leute mit ihrem eigenen Körper liebend zusammenzubringen, sozusagen mit sich selbst wieder zu vereinen, heil zu sein. Ich sage oft: Ihr habt einen guten Körper. Akzeptiert euren Körper.

Denn da ist viel Selbst-Aggression im Westen im menschlichen Geist. Der ist tief verankert und daher kommen viele Beschwerden, die wir haben. Hass, Wut und Ärger bedingen Anspannung. Geistige Spannung bringt auch eine unheilsame körperliche Spannung, die über längeren Zeitraum zu Problemen führen kann. Da möchte ich ansetzen und für Entspannung sorgen – im Geist und Körper.

Ich möchte die Leute mit ihrem eigenen Körper liebend zusammenbringen.

Ansprechen oder nicht?

Thematisierst Du das Thema Queer-Sein in Deinen Stunden?

Ja, aber ehrlich gesagt meist durch irgendwelche witzige Bemerkungen. Das heißt, ich versuche, die Leute durch Humor zu lockern, wenn ich merke, dass sie sich zu sehr anspannen. Dann wird auch das Yoga besser.

Sonst thematisiere ich es nicht. Das wär auch, denke ich, grenzüberschreitend und übergriffig, solche intimen Dinge anzusprechen. Wenn Teilnehmer:innen von sich aus ein Thema einbringen, lasse ich dem aber Raum.

Was ich zudem mache, ist die Leute vorher privat zu fragen: Habt ihr irgendwelche Themen, bestimmte Einschränkungen, Probleme oder Erfahrungen, geistig wie körperlich, die ich wissen sollte? Am besten kann ich helfen, wenn ich weiß, was die Teilnehmer:innen plagt.

Vorteile von Yoga für queere Menschen

Denkst Du, dass Yoga spezielle Vorteile mit sich bringt für queere Menschen, die vielleicht mit anderen Herausforderungen im Leben konfrontiert werden als cisheterosexuelle?

Yoga birgt erhebliche Vorteile für jedes Leben. Aber ja, tatsächlich glaube ich, dass eben diese Leute, die ewig gehört haben „du bist falsch“ oder „dein Körper ist falsch“ oder die selber denken „ich passe nicht in diesen Körper“, dass Yoga diesen Leuten sehr helfen kann. Da kommt wieder die Selbstliebe ins Spiel.

Ich übe schon lang Vipassana, buddhistische Einsichtsmeditation. Dazu gehört Metta, also bedingungslose Liebe oder Liebende-Güte-Meditation. Es gibt für mich dieses schöne Bild: Mein Yoga ist ein Floß, das der Strom von Metta trägt – und dieses liebende Grundgefühl meines Yoga hilft offensichtlich anderen Menschen.

Ich glaube, dass es gerade für queere Leute außerordentlich hilfreich ist, diese liebende Güte zu spüren. Ich möchte vermitteln: Ihr habt einen guten Körper, geht in das Wohlgefühl des Yoga hinein. Gerade bei der Schlussentspannung kann man mit leichter, wohliger Konzentration in innere Wahrnehmungen und Vorstellungen gehen: Da vereine ich liebevoll den Geist mit dem eigenen Körper. Und ich kann mir vorstellen, dass es das ist, was vielen Leuten fehlt und für sie vielleicht auch ein bisschen "Heilung" bedeutet.

Wer ständig gehört oder gedacht hat „du bist falsch“, für den kann Yoga und liebende Güte sehr heilsam sein.

Tipps für Yoga-Lehrer:innen

Was rätst Du Yoga-Lehrer:innen, die ihre Klassen inkludierender gestalten möchten?

Schwierige Frage. Evtl. rate ich, dieses Willkommensgefühl zu fördern. Ich finde tatsächlich, angemessener Humor hilft sehr. Das ist etwas, bei dem sich Leute direkt öffnen.

Und genau hinschauen, feinfühlig sein. Nachfragen: Ist es ok, wenn ich euch berühre? Oder möchtet ihr das lieber nicht? Zum Beispiel per Zeichen oder Kärtchen, da kann jeder seinen Weg finden.

Kurz: Mit einem offenen Lächeln begrüßen und signalisieren „ihr seid willkommen“. Aber es dann auch gut sein lassen. Denn was nicht hilft, ist, sich in zu-nett-sein-wollen zu verkrampfen oder zu gut, zu korrekt sein zu wollen. Das geht dann in die Hose, und die Teilnehmer:innen spüren diese Verspannung auch. Am besten, man ist einfach man sich selbst und lehrt, wie man eben lehrt.

Versuche nicht, zu gut zu sein -  dann verspannst Du Dich nur.

Gendern in Yoga-Klassen

Wie hältst Du es mit dem Gendern?

Ich achte schon darauf und höre ich einfach auf das, was sich meine Schüler:innen wünschen. Ich hatte zum Beispiel mal junge Frauen, die mich drauf hingewiesen haben: Schreib lieber Yogi und Yogini in deinen Texten. Dabei dachte ich, Yogis umfasst alle Geschlechter, und Yogini wären (zumindest laut Wikipedia) nepalesische, weibliche Statuen. Aber das ist eben der Sprachgebrauch heutzutage in diesen Kreisen und dann nehme ich das an. Das ist für mich ok.

Aber ich mache das ganz locker und scherze auch mal darüber. Sage zum Beispiel mal „Liebe Yog:innen“, dann lachen alle und es geht los mit der Klasse. Da gibt es nicht die eine Lösung, ganz im Gegenteil. Ich weiß ja, wie meine Leute ticken, was die für einen Humor haben. Jede Person und Gruppe ist anders.

Ich würde mich nicht zu sehr verbiegen mit der Wortwahl. Macht es so, dass sich die Leute wohl und angenommen fühlen, dann ist der Zweck erfüllt.

Mache es so, dass alle sich angenommen fühlen. Dann ist der Zweck erfüllt.

Vielen Dank für diese Einblicke, Marcus!

Mehr über Marcus Bauer

Mit meinem liebevollen Yoga versuche ich, Freiheit von Leid zu lehren. Wichtig ist mir die Verwurzelung in der Tradition. Yoga und Meditation ohne Lehrer oder Korrektur sind gefährlich. Dank tiefer, meditativer Einblicke ist es mir möglich, traditionelle Übungen an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Meine jahrzehntelange Erfahrung in Yoga und Meditation soll euch beschützen.

Mehr Infos: rainbowsyoga.de/ und www.yogadesmittlerenweges.de/

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Elena Patzer (Redaktion)

Elena füllt als Redaktionsleitung das bunte Leben von YogaMeHome. Sie ist Yogini mit ganzem Herzen und bereits seit 10 Jahren regelmäßig auf der Matte. Oft trifft man sie in Südost-Asien und der ganzen Welt, wo sie ihr Wissen über Yoga, Heilung und Spiritualität vertieft.

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